Weniger Nebenjobs durch Corona, dazu die hohen Mieten in den Unistädten: Können Studierende die Pandemie finanziell überhaupt bewältigen? Gibt es zukunftsträchtige Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen oder steigt die Zahl der Studienabbrüche? Antworten geben wir hier auf Basis der Fachkraft 2030.
Köln, 3. März 2021: Beinahe ein Jahr ist seit Beginn des ersten Lockdowns in Deutschland vergangen. Viele Studierende haben bereits das zweite Corona-Semester absolviert, was bei einer Regelstudienzeit von 6 Semestern für einen Uni-Bachelorstudiengang einem Drittel der anvisierten Dauer entspricht. Es drängt sich die Frage auf, ob und wie Student*innen neben Herausforderungen in der Lehre die ökonomischen Auswirkungen der Pandemie überstehen können.
Dies haben wir im Rahmen der Fachkraft 2030 untersucht. Hierfür wurden Daten aus den Jahren 2019 (September & Oktober) und 2020 (August & September) miteinander verglichen. Insgesamt nahmen deutschlandweit mehr als 28.000 Studierende teil.
Durch Corona Nebenjobs in geringerer Zahl verfügbar
Die erste Erkenntnis ist vor dem Hintergrund geschwundener Konjunktur und gesteigerter Kurzarbeit nicht überraschend. Es ist dennoch besorgniserregend: Die studentische Teilhabe am Arbeitsmarkt ist 2020 im Vergleich zu 2019
deutlich gesunken. In Zahlen ausgedrückt beträgt der Rückgang beinahe 10 Prozent. Hierbei handelt es sich um einen Tiefstwert seit Beginn der Fachkraft-Erhebung. Unterstrichen wird diese Entwicklung dadurch, dass traditionell viele Studierende Nebenjobs in der von Corona-Auswirkungen besonders betroffenen Gastronomie ausüben.
Studentische Partizipation: Gab es regionale Unterschiede?
Die Teilhabe der Studierenden am Arbeitsmarkt ist also signifikant zurückgegangen. Der Vergleich der Fachkraft-Daten zeigt: Männliche und weibliche Studierende sowie auch Bachelor- und Masterabsolventen partizipieren gleichermaßen weniger am Jobmarkt. Lediglich diejeningen mit einer Promotion konnten sich über einen leichten Anstieg freuen.
Bedenkt man jedoch, dass die Fallzahlen sich je nach Region durchaus heterogen präsentieren, stellt sich die Frage, welche Unterschiede auf Bundesländerebene zu verzeichnen sind? Hier liefert die Erhebung ein deutliches Bild.
„Der Rückgang dürfte dabei maßgeblich auf Corona-bedingte Effekte für den studentischen Jobmarkt zurückzuführen sein. Interessant ist, dass in Ostdeutschland lediglich 3 % weniger Studierende einem Nebenjob nachgingen als noch 2019 – im Westen waren es fast 11 % weniger. Das könnte damit zusammenhängen, dass bspw. Sachsen im Sommer mit die niedrigsten Infiziertenzahlen hatte und mehr erlaubt war, wie bspw. kleinere Konzerte oder Betriebs- und Vereinsfeiern. Generell ist zu sagen: Der Sommer 2020 verlief wirtschaftlich einigermaßen glimpflich – Geschäfte und Bars waren geöffnet. Trotzdem sank da bereits der Anteil von Studierenden mit Nebenjob von 63,1 % auf 53,2 %. Ich fürchte, diese Zahl hat sich seitdem durch die zweite Infektionswelle und alle ihre Auswirkungen nochmals drastisch verschärft!” – Einordnung von Eckhard Köhn, Studitemps CEO
Beeinflusst Corona Nebenjobs hinsichtlich des Stundenlohns?
Es bleibt demnach festzuhalten, dass es weniger studentische Teilhabe am Arbeitsmarkt gab. Immerhin verdienten diejenigen, die einen Nebenjob hatten, in Relation zum Vorjahr im Schnitt geringfügig mehr Geld. Hierbei handelt es sich jedoch um eine vergleichsweise niedrige Steigerung von 11,42 Euro (2019) auf 11,62 Euro (2020). Parallele zur Fachkraft-Tiefstwert bei der studentischen Jobteilhabe: niedrigster Anstieg seit Beginn unserer Erhebungen.
Gender Pay Gap
In der Prä-Corona-Ära von 2012 bis 2019 stiegen die studentischen Stundenlöhne in Deutschland jährlich um bis zu 6 Prozent. Nun verzeichnen wir annähernd eine Stagnation. Dennoch ist Positives zu vermelden: Der Gender Pay Gap, seit geraumer Zeit ein sehr wichtiges (Streit-)Thema, hat sich weiter geschlossen: pro Arbeitsstunde von 4,5 % (2019) auf 1,4 % (2020). Einer Bezahlung von 11,75 € vs. 11,23 € im Vorjahr stehen 11,73 € vs. 11,57 € (jeweils männlich/weiblich) gegenüber.
Während Corona allgemein als Rückschlag für die Geschlechtergerechtigkeit gesehen wird, ist die geringere Differenz der Stundenlöhne von Männern und Frauen ein (kleiner) Lichtblick in einer für alle Beteiligten herausfordernden Zeit. Anders sieht es bei der familiären Herkunft aus.
„Für verschiedene Gruppen sehen wir sehr unterschiedliche Entwicklungen: Studierende aus Akademiker-Haushalten konnten ihren Nebenjob wohl eher halten (oder einen neuen finden), gleichzeitig erhalten sie im Schnitt mehr Stundenlohn im Vergleich zu Studierenden aus Nicht-Akademiker-Haushalten (11,89 € zu 11,45 €) , was vsl. daraus resultiert, dass sie häufiger fachnahen Nebenjobs nachgehen (27 % im Vergleich zu 22,6 %). Das ist erfreulich für diese Gruppe, zeigt aber auch: Der Nachwuchs profitiert maßgeblich vom Netzwerk der Eltern. Umso wichtiger ist, dass es Angebote für Studierende gibt, die nicht aus einer Akademiker-Familie kommen – zum Netzwerken, zur erfolgreichen Vermittlung von Studentenjobs und später für den Berufseinstieg.” – sagt Eckhard Köhn
Gleichwohl repräsentieren auch in Zeiten von Corona Nebenjobs bzw. Stundenlöhne immer nur ein Teil des Gesamtbildes. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Lebenshaltungskosten und zuvorderst die Mieten.
Stay home, pay home: Entwicklung der studentischen Mietpreise
Auf den ersten Blick ruft die studentische Mietpreisentwicklung einen Schock hervor. Wohnten Studierende seit jeher alles andere als günstig, stieg die Kaltmiete pro Quadratmeter von 2019 auf 2020 um etwa 8 % von 12,55 Euro auf exakt 13,54 Euro an. Heißt das, dass Studierende, die durch Corona ihre Nebenjobs verloren haben, verstärkt Gefahr laufen, auf der Straße zu stehen?
„Diese Entwicklung ist auf den ersten Blick extrem ernüchternd, bedarf aber noch ein wenig Erklärung: Wir sehen einen Anstieg von 8 % der Kaltmiete pro Quadratmeter. Das müssen nicht immer Mieterhöhungen sein, sondern kann auch daraus resultieren, dass Studierende in kleinere Wohnungen ziehen mussten – im Schnitt hatten sie 2020 1 qm weniger als 2019. Die Gesamtmiete ist in kleineren Wohnungen meist günstiger, der Quadratmeterpreis allerdings höher. Allerdings ist auch die durchschnittliche Gesamtmiete in 2020 leicht gestiegen (von 311 € auf 317 €). Heißt: Die 8 % Erhöhung der Kaltmiete lässt sich zum einen auf Mieterhöhungen und zum anderen auf Umzüge in kleinere Wohnungen mit höheren Quadratmeterpreisen zurückführen. Insgesamt ist der Anstieg der Miete schlichtweg eine zusätzliche Belastung für die Studierenden, die eh schon zu kämpfen haben, und damit wenig solidarisch.” – kommentiert Eckhard Köhn
Die digitale Hochschule
Mit Beginn des ersten „Corona-Semesters“ änderte sich wie für die Gesamtgesellschaft auch für Hochschüler*innen vieles. Die Lehre wurde quasi über Nacht digital, Ausgehmöglichkeiten auf dem Campus und in der Umgebung entfielen ersatzlos. Dies wird neben den steigenden Mieten ebenfalls dazu beigetragen haben, dass Stand 2020 jeder vierte Studierende bei den Eltern lebte. Im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg von 17 % oder 100.000 Studierenden. Ganz klar: Die Herausforderung, studentischen Wohnraum in Uninähe sowohl verfügbar als auch bezahlbar zu gestalten, wird durch diese Entwicklung nicht gemildert.
Hatten Student*innen generell weniger Geld zur Verfügung?
Im Jahr 2019 standen den Studierenden durchschnittlich 847 Euro aus unterschiedlichen Quellen monatlich zur Verfügung. 2020 waren es 859 Euro – tatsächlich also zwölf Euro mehr. Absolute finanzielle Einbußen pro Monat waren nicht zu verzeichnen, stattdessen ist das studentische Budget um etwa 1,4 % leicht gestiegen. Ebenso wuchs das Budget aus Darlehen und Krediten oder Ersparnissen, wie auch der durchschnittliche monatliche BaföG-Auszahlungsbetrag – Letzterer von monatlich 471 € auf 576 €.
Jedoch wird bei genauerem Blick auf die Herkunft des Budgets deutlich, dass hier sehr wohl Grund zur Besorgnis besteht. Erstens: Studierende greifen auf ihre (nicht unversiegbaren) Reserven zurück oder verschulden sich stärker. Und: Weniger Student*innen erhielten Einnahmen aus Nebenjobs oder Unterstützung von den Eltern. Diejenigen, denen diese Quellen nach wie vor zur Verfügung standen, erhielten durchschnittlich sogar mehr Geld. Wie in anderen Bildungsbereichen droht auch hier eine coronabedingte Scherenentwicklung. Eine Entwicklung, die weiter oben bei der Betrachtung der Nebenjobverteilung bereits sichtbar wurde.
Der klare Trend
„Es ist ein klarer Trend erkennbar: Die Geldquellen, die Studierenden noch bleiben, werden stärker ausgereizt. Das dient der Kompensation von Einbußen an jeweils anderer Stelle – weniger Unterstützung durch Eltern muss bspw. durch mehr Arbeit ausgeglichen werden. Das sehen wir auch auf unserer Jobplattform: Wir hatten mehr Anmeldungen und die Studierenden hatten mehr Arbeitseinsätze – teilweise bis zu einer Steigerung von 57 %. Das ist aber auch notwendig, denn die durchschnittlichen Ausgaben für Hochschüler*innen sind ebenfalls angesteigen. Unter anderem haben sich die Kosten für das Studium erhöht – von monatlich 106 € auf 134 € (26,42 %). Gründe könnten höhere Ausgaben für technische Ausstattung, bessere Internetanbindung oder `Homeoffice´Ausstattung sein.” – Eckhard Köhn
Stimmungsbarometer: Planen viele den Studienabbruch?
Glücklicherweise haben sich die durch Corona verursachten negativen Entwicklungen noch nicht in der Zahl der (geplanten) Studienabbrüche niedergeschlagen. Stattdessen ist die Wahrscheinlichkeit eines Studienabbruchs zwischen 2019 und 2020 nur in marginalem Rahmen gestiegen – von 16,3 % auf 16,6 %. Der Optimismus der Studierenden im Hinblick auf den Berufseinstieg spiegelt sich an dieser Stelle in der Zufriedenheit mit dem Studium wieder, die von 76,1 % auf 76,7 % gewachsen ist.
Studitemps Fazit
Ist also alles doch nicht so schlimm wie befürchtet? Kann für Hochschüler*innen wieder ein tragfähiges Konzept sein, einfach durchzuhalten, bis der Sommer kommt und dann wieder mit Studentenjobs das Portemonnaie aufzufüllen? Nein, so einfach ist es nicht – denn die Entwicklung zeigt, dass schon 2020 viele von ihren finanziellen Reserven zehrten. Seitdem wird sich die Lage nicht verbessert haben. Die Zuversicht der Student*innen ist nicht unendlich, was besonders für diejenigen gilt, deren Eltern kein berufliches Netzwerk haben und/oder weniger gut situiert sind. Dies ist eine besorgniserregende Entwicklung, bei der es gegenzusteuern gilt – sind doch qualifizierte und motivierte Akademiker*innen ein wichtiger Baustein für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Pandemie.
Zusatzinformationen zum Thema Studieren und Geldverdienen unter Pandemiebedingungen finden sich in unserem gleichnamigen Whitepaper.