Der Trennungsprozess von Mitarbeiter*innen wird in der betrieblichen Praxis häufig stiefmütterlich behandelt. Während das Onboarding mit großem Aufwand betrieben wird, um Talente zu integrieren, endet das Arbeitsverhältnis oft in einer rein administrativen Abwicklung. Ein strategisches Offboarding umfasst jedoch weit mehr als die bloße Rückgabe von Firmeneigentum und die Deaktivierung von IT-Zugängen. Es handelt sich um eine entscheidende Phase im Employee Lifecycle, die maßgeblichen Einfluss auf das Employer Branding, die Wissenssicherung und die allgemeine Unternehmenskultur hat. Eine professionelle Verabschiedung stellt sicher, dass ausscheidende Mitarbeiter*innen das Unternehmen als Botschafter*innen verlassen und wertvolles Know-how im Betrieb verbleibt.
Kernbestandteile eines professionellen Offboardings
Ein ganzheitliches Offboarding gliedert sich in administrative, fachliche und emotionale Komponenten. Die administrative Ebene sichert die rechtliche und organisatorische Compliance. Hierzu zählen die fristgerechte Erstellung des Arbeitszeugnisses, die Klärung von Resturlaubsansprüchen sowie die physische Rückgabe von Hardware, Schlüsseln oder Dienstwagen. Ohne eine strukturierte Abwicklung dieser Punkte entstehen unnötige Reibungsverluste und potenzielle Sicherheitsrisiken für die IT-Infrastruktur des Unternehmens.
Die fachliche Komponente konzentriert sich auf den Wissenstransfer. Das Ausscheiden einer Fachkraft darf nicht zu einem Informationsvakuum führen. Bestandteile wie Übergabeprotokolle, Briefings für Nachfolger*innen oder die Dokumentation von laufenden Projekten sind im Offboarding Prozess essenziell. Oft wird unterschätzt, wie viel implizites Wissen – also Erfahrungswerte und informelle Netzwerke – verloren geht, wenn dieser Prozess nicht aktiv moderiert wird.
Die emotionale Ebene ist schließlich das Herzstück der Wertschätzung. Ein Abschlussgespräch, das sogenannte Exit-Interview, dient dazu, ehrliches Feedback über die Stärken und Schwächen der Organisation zu erhalten und schließt das Offboarding rund ab. Wenn Mitarbeiter*innen das Gefühl haben, dass ihre geleistete Arbeit bis zum letzten Tag gesehen wird, sinkt die Wahrscheinlichkeit negativer Bewertungen auf Arbeitgeberportalen drastisch.
Der optimale Zeitplan: Von der Kündigung bis zum letzten Tag
Ein strukturierter Zeitplan ist das Rückgrat eines reibungslosen Offboardings. Unmittelbar nach Eingang der Kündigung beginnt die Phase der Kommunikation. Innerhalb der ersten Woche sollten die relevanten Stakeholder informiert und die rechtlichen Rahmenbedingungen fixiert werden. In dieser Zeit wird auch der grobe Plan für die verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses festgelegt, um Unsicherheiten im Team zu vermeiden.
In der mittleren Phase, meist zwei bis vier Wochen vor dem Austritt, steht der Wissenstransfer im Fokus. Hier werden Übergabetermine geplant und Dokumentationen vervollständigt. Es ist ratsam, bereits in dieser Phase eine*n Nachfolger*in oder eine Vertretung intensiv einzubinden, damit offene Fragen direkt geklärt werden können.
Nachfolger noch unklar?
In der finalen Woche erfolgt die administrative Abwicklung. Der letzte Arbeitstag sollte Raum für eine offizielle Verabschiedung bieten. Das Exit-Interview findet idealerweise kurz vor dem Austritt statt, da die Distanz zum Unternehmen bereits groß genug für objektives Feedback, aber die Erinnerung an die Abläufe noch frisch ist. Ein gut getakteter Prozess verhindert Hektik und stellt sicher, dass keine wichtigen Schritte übersehen werden.
Relevante Stakeholder im Offboarding-Prozess
Offboarding ist eine interdisziplinäre Aufgabe, die verschiedene Abteilungen koordiniert zusammenführt. Die Personalabteilung steuert den Prozess, kümmert sich um die Vertragsmodalitäten und führt meist das Exit-Interview. Sie fungiert als Schnittstelle zwischen allen Beteiligten und stellt sicher, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.
Die direkte Führungskraft trägt die Verantwortung für den fachlichen Übergang und die Stimmung im Team. Sie muss den Abgang so moderieren, dass die verbleibenden Mitarbeiter*innen nicht durch Mehrarbeit überlastet werden oder die Arbeitsmoral sinkt. Zudem ist die IT-Abteilung ein kritischer Stakeholder. Die zeitpunktgenaue Sperrung von Accounts und der Entzug von Zugriffsrechten sind für die Datensicherheit unerlässlich. Nicht zuletzt müssen auch externe Stakeholder wie Kund*innen oder Lieferant*innen berücksichtigt werden. Eine frühzeitige und transparente Information über neue Ansprechpartner*innen sichert die Kontinuität der Geschäftsbeziehungen und verhindert Irritationen im Markt.
Langfristige Effekte und Alumni-Management
Ein gelungenes Offboarding endet nicht zwangsläufig am letzten Arbeitstag. Das Konzept des Alumni-Managements gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ehemalige Mitarbeiter*innen sind wertvolle Kontakte für künftige B2B-Kooperationen, potenzielle Wiedereinsteiger*innen ("Boomerang-Mitarbeiter") oder Empfehlungsgeber*innen für neue Talente. Unternehmen, die den Kontakt pflegen, nutzen ein mächtiges Netzwerk, das weit über die internen Grenzen hinausreicht.
Ein wertschätzender Abschied signalisiert zudem den verbleibenden Mitarbeiter*innen, wie das Unternehmen mit seinen Menschen umgeht. Ein respektloser Umgang mit Ausscheidenden führt oft zu einer "Inneren Kündigung" bei denjenigen, die im Betrieb bleiben. Wer hingegen sieht, dass ein Gehen ohne Groll und mit ehrlichem Dank möglich ist, fühlt sich in seiner Entscheidung für den Arbeitgeber bestätigt. Offboarding ist somit immer auch eine Maßnahme zur Bindung der aktuellen Belegschaft.

