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Prokrastination: Warum wir aufschieben – und wie wir es endlich überwinden

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veröffentlicht am 12.8.2025

Prokrastination ist mehr als bloßes Aufschieben. Sie beschreibt ein wiederkehrendes Verhaltensmuster, bei dem Aufgaben trotz vorhandener Zeit und Ressourcen nicht angegangen werden – meist mit dem Ergebnis, dass Stress, Schuldgefühle oder Leistungsdruck zunehmen. In einer zunehmend dynamischen Arbeitswelt, die Eigenverantwortung, Organisationstalent und Selbstmanagement verlangt, wird die Fähigkeit, proaktiv zu handeln, zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Warum also handeln wir oft gegen unsere eigenen Interessen?

Was hinter Prokrastination wirklich steckt

Prokrastination ist kein Zeichen von Faulheit. Psychologisch betrachtet handelt es sich vielmehr um einen Bewältigungsmechanismus. Die Bezeichnung „Prokrastination“ stammt vom lateinischen Begriff „procrastinatio“ und beschreibt das wiederholte Aufschieben oder die Vertagung von Aufgaben. Wer prokrastiniert, vermeidet nicht die Aufgabe an sich, sondern vielmehr die damit verbundenen Emotionen: Angst vor Versagen, Überforderung, Perfektionismus oder fehlender Sinnbezug. Prokrastination kann viele Ursachen, Gründe und Hintergründe haben, die oft tiefer liegen als bloßer Perfektionismus oder Prüfungsangst – dazu zählen psychologische, emotionale und neurophysiologische Mechanismen.

Fast jeder Mensch prokrastiniert irgendwann, weshalb es ein weit verbreitetes Problem ist, das alle Lebensbereiche betreffen kann. Studien und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Prokrastination negative Folgen für die psychische Gesundheit, das soziale Umfeld und die Karriere der Betroffenen haben kann. Fred Rist, ein renommierter Psychologe, hat in seinen Forschungen die Ursachen und Verhaltensmuster prokrastinierender Menschen analysiert und betont, dass Prokrastination als Arbeitsstörung, Störung oder im Zusammenhang mit anderen Störungen wie ADHS oder Depressionen betrachtet werden kann.

Typische Merkmale prokrastinierender Personen sind das Aufschieben verschiedenster Tätigkeiten und Dinge – von Hausarbeit, Steuererklärung, dem Aufräumen der Wohnung oder dem Sortieren des Schreibtischs bis hin zu Prüfungen und Arbeitsaufgaben. Oft werden Aufgaben auf den letzten Drücker unter Zeitdruck und Stress erledigt, was dazu führen kann, dass sie nicht zu Ende gebracht werden. Das Gegenteil von Prokrastination ist die Präkrastination, bei der Aufgaben sofort erledigt werden, was jedoch ebenfalls problematisch sein kann.

Die Gefühle spielen eine große Rolle beim Aufschieben: Negative Empfindungen, Unsicherheiten oder Überforderung beeinflussen das Verhalten maßgeblich. Auch das Internet und eine unübersichtliche To-Do-Liste sind typische Auslöser für Prokrastination. Spezialisierte Einrichtungen wie die Prokrastinationsambulanz bieten Betroffenen gezielte Unterstützung.

Wissenschaftliche Studien belegen, dass Prokrastination jeden betreffen kann. Menschen prokrastinieren aus unterschiedlichen Gründen – etwa wegen Überforderung bei der Arbeit, im Studium oder bei einer Prüfung.

Die häufigsten Ursachen für das Aufschieben im Arbeitskontext

In der modernen Arbeitswelt ist Prokrastination weit verbreitet – besonders in Berufen mit hoher Autonomie oder kreativen Anforderungen. Zeitarbeitnehmer*innen, Projektmanager*innen, Führungskräfte oder Beschäftigte im Homeoffice stehen dabei besonders unter Druck, ihre Aufgaben eigenverantwortlich zu strukturieren. Fehlende Prioritätensetzung und eine überladene To-Do-Liste begünstigen das Aufschieben von Aufgaben zusätzlich.

Ursachen sind unter anderem:

  • Unklare Prioritäten: Wer nicht weiß, was wirklich wichtig ist, verliert sich im Klein-Klein des Tagesgeschäfts.

  • Fehlendes Feedback: Besonders bei Einzelarbeit fehlt oft die motivierende Rückmeldung von außen.

  • Zu hohe Erwartungen: Perfektionismus blockiert den Anfang – viele Aufgaben wirken dadurch unüberwindbar.

  • Digitale Ablenkung: Ständige Erreichbarkeit und Informationsflut erschweren konzentriertes Arbeiten erheblich.

Die Expertenmeinung: Margarita Engberding

Margarita Engberding, eine erfahrene Psychologin und Expertin auf dem Gebiet der Prokrastination, macht deutlich, dass hinter dem Phänomen weit mehr steckt als bloßes Aufschieben oder mangelnde Motivation. Sie betont, dass Prokrastination häufig durch tieferliegende Ängste, Unsicherheiten und Schwierigkeiten bei der Selbststeuerung ausgelöst wird. Viele Betroffene kämpfen mit inneren Konflikten, die das Erledigen von Aufgaben erschweren – sei es im Studium, im Beruf oder im Alltag. Engberding empfiehlt, die Ursachen des Aufschiebens gezielt zu erforschen und nicht nur an der Oberfläche zu arbeiten. Professionelle Hilfe, etwa durch Psychotherapie, kann dabei unterstützen, individuelle Probleme zu erkennen und nachhaltige Strategien zu entwickeln. Sie weist darauf hin, dass die Behandlung von Prokrastination Geduld und Selbstreflexion erfordert, da es sich oft um einen längeren Prozess handelt. Durch das Lernen neuer Verhaltensweisen und den gezielten Einsatz von Strategien können Betroffene Schritt für Schritt ihre "Aufschieberitis" überwinden und ein produktiveres Leben führen. Engberding macht Mut: Mit der richtigen Unterstützung ist es möglich, die Kontrolle über das eigene Verhalten zurückzugewinnen und die eigenen Ziele zu erreichen.

Prokrastination im Arbeitsrecht: Was Unternehmen wissen sollten

Arbeitsrechtlich ist Prokrastination schwer greifbar. Solange Aufgaben innerhalb vertraglich vereinbarter Fristen erledigt werden, gibt es juristisch kaum Ansatzpunkte. Dennoch kann das ständige Arbeiten auf den letzten Drücker und unter Zeitdruck dazu führen, dass Deadlines verpasst werden. Chronisches Aufschieben kann zur Leistungsminderung führen – was im Extremfall arbeitsrechtliche Konsequenzen haben kann, etwa bei wiederholter Fristversäumnis oder mangelnder Arbeitsbereitschaft. Die Folge für die betroffenen Arbeitnehmer*innen und das Unternehmen können Stress, Frustration, Produktivitätsverlust und finanzielle Einbußen sein. Für Personalverantwortliche gilt: Frühzeitig das Gespräch suchen, Ursachen identifizieren und konstruktiv unterstützen, bevor es zu formalen Maßnahmen kommt.

Wie sich Prokrastination überwinden lässt – praxisnahe Strategien und Tipps

Die gute Nachricht: Prokrastination lässt sich verändern. Entscheidend ist, individuelle Auslöser zu erkennen und systematisch gegenzusteuern. Besonders hilfreich sind:

  • Zeitstruktur schaffen: Ein klarer Arbeitsplan mit realistischen Zeitfenstern und konkreten Deadlines erleichtert den Einstieg.

  • Aufgaben herunterbrechen: Große Projekte in kleine, sofort machbare Schritte unterteilen – das mindert die Hemmschwelle.

  • Geplante Pausen einbauen: Regelmäßige, bewusste Pausen während der Arbeit fördern die Konzentration und steigern die Produktivität.

  • To-Do-Liste führen: Eine gut strukturierte To-Do-Liste hilft, Aufgaben zu priorisieren und das Aufschieben zu vermeiden.

  • 72-Stunden-Regel nutzen: Beginnen Sie innerhalb von 72 Stunden mit einer neuen Aufgabe, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, diese erfolgreich abzuschließen.

  • Belohnung statt Bestrafung: Kleine Erfolge sollten bewusst gefeiert werden – das stärkt die intrinsische Motivation.

  • Ablenkungen eliminieren: Handy weg, Browser-Tabs schließen, Push-Mitteilungen aus – Fokussierung muss aktiv gefördert werden.

  • Accountability-Partner suchen: Kolleg*innen oder Mentor*innen können helfen, verbindlich am Ball zu bleiben.

Spezialisierte Einrichtungen wie die Prokrastinationsambulanz bieten zudem strukturierte Unterstützung und Trainingsprogramme, um Prokrastination gezielt zu überwinden.

Ein Zitat des Schriftstellers Mark Twain bringt es auf den Punkt: „Das Geheimnis des Vorankommens liegt im Anfangen.“ Genau darin liegt die Kunst: nicht zu warten, bis die Motivation kommt – sondern durch Handeln Motivation zu erzeugen.

Bedeutung für Personalmanagement und Zeitarbeit

Für Personaldienstleister*innen ergibt sich aus dem Umgang mit Prokrastination ein wertvoller Impuls für das Bewerber*innen-Coaching und die Mitarbeitendenentwicklung. Wer Beschäftigte bei der Selbstorganisation unterstützt, stärkt nicht nur deren Leistungsfähigkeit, sondern auch die Arbeitgebermarke. Das Setzen von Prioritäten und das Führen einer übersichtlichen To-Do-Liste sind dabei essenziell, um Aufgaben effizient zu organisieren und Aufschieben zu vermeiden. In Schulungen, Onboarding-Prozessen oder Mitarbeiter*innengesprächen sollte das Thema aktiv adressiert werden. Praktische Tipps sowie die Integration geplanter Pausen fördern zudem die Mitarbeitendenentwicklung und helfen, die Konzentration und Produktivität nachhaltig zu steigern. Gerade in der Zeitarbeit ist strukturierte Eigenführung ein zentraler Erfolgsfaktor – vor allem bei wechselnden Einsätzen, neuen Teams und sich wandelnden Anforderungen.

Die 10 häufigsten Fragen rund um Prokrastination

  1. Was ist der Unterschied zwischen Faulheit und Prokrastination? Während Faulheit schlicht den Mangel an Motivation oder Antrieb – ohne innere Konflikte – bedeutet, beschreibt der Begriff Prokrastination ein komplexeres Verhalten mit psychologischen Hintergründen.

  2. Warum prokrastinieren so viele Menschen? Weil kurzfristige Erleichterung durch Aufschieben angenehmer erscheint als sich unangenehmen Aufgaben zu stellen.

  3. Ist Prokrastination eine Krankheit? Nein, sie ist keine eigenständige Diagnose, kann aber Symptom psychischer Belastungen wie Depressionen oder ADHS sein.

  4. Welche Berufe sind besonders betroffen? Vor allem kreative und eigenverantwortliche Tätigkeiten, in denen Aufgaben nicht streng vorgegeben sind.

  5. Wie kann man Prokrastination im Team vorbeugen? Durch klare Ziele, Feedbackstrukturen und ein unterstützendes Arbeitsklima. Transparenz und Kommunikation sind entscheidend.

  6. Welche Rolle spielt Perfektionismus? Eine große – wer glaubt, erst perfekt starten zu müssen, fängt oft gar nicht erst an.

  7. Gibt es Tools gegen Prokrastination? Ja, zum Beispiel Zeitmanagement-Methoden wie die Pomodoro-Technik oder Apps wie „Forest“ oder „Focusmate“.

  8. Wie lange dauert es, Prokrastination zu überwinden? Das ist individuell verschieden, oft braucht es mehrere Wochen konsequenter Übung.

  9. Hilft Coaching bei Prokrastination? Ja, professionelles Coaching kann helfen, Ursachen zu analysieren und neue Routinen aufzubauen.

  10. Wie erkenne ich, dass ich prokrastiniere? Typische Anzeichen sind ständiges Aufschieben, schlechtes Gewissen und sinkende Produktivität – trotz freier Zeit.

Zukunftsperspektiven: Wie sich der Umgang mit Prokrastination verändern könnte

Der Blick in die Zukunft zeigt, dass der Umgang mit Prokrastination sich weiterentwickeln wird – nicht zuletzt durch den Einsatz moderner Technologien und neue therapeutische Ansätze. Digitale Tools und Apps, die das Organisieren von Aufgaben und das Priorisieren von To Dos erleichtern, könnten für viele Menschen eine wertvolle Unterstützung bieten. Künstliche Intelligenz könnte in der Therapie von Prokrastination zum Beispiel dabei helfen, individuelle Muster des Aufschiebens zu erkennen und maßgeschneiderte Strategien vorzuschlagen. Gleichzeitig wächst das gesellschaftliche Verständnis für die Probleme, mit denen Betroffene zu kämpfen haben. Eine offenere Haltung gegenüber dem Thema kann dazu beitragen, dass mehr Menschen professionelle Hilfe suchen und sich nicht länger für ihr Aufschiebeverhalten schämen müssen. Die Forschung – etwa an der Universität Münster oder durch Expertinnen wie Margarita Engberding – liefert immer neue Erkenntnisse, die in innovative Behandlungsmethoden einfließen. So können Betroffene lernen, ihre Aufgaben gezielter anzugehen, ihre Ziele zu erreichen und langfristig weniger unter den Folgen des Prokrastinierens zu leiden. Entscheidend bleibt: Mit den richtigen Strategien, moderner Therapie und gesellschaftlicher Unterstützung ist es möglich, Prokrastination zu überwinden und ein erfüllteres Leben zu führen.

Zusammenfassung

  • Prokrastination ist ein ernstzunehmendes Verhalten mit emotionalen Ursachen, kein Mangel an Disziplin.

  • Sie tritt häufig in modernen Arbeitskontexten auf, insbesondere bei selbstorganisiertem Arbeiten.

  • Unternehmen sollten proaktiv Unterstützung bieten, bevor negative Folgen entstehen.

  • Strategien wie Zeitplanung, Aufgabenteilung und Fokussierung helfen beim Überwinden.

  • Der Umgang mit Prokrastination ist ein wichtiger Bestandteil moderner Personalentwicklung.

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