Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung in Deutschland einen Schub verpasst. Das zeigt sich auch an den Hochschulen: E-Learning, Online-Vorlesungen und Webinare haben stark zugenommen, allerdings fühlen sich immer noch fast die Hälfte der Studierenden nicht gut auf die digitalen Anforderungen ihres künftigen Berufs vorbereitet. Gleichzeitig weiß die große Mehrheit (80 %) um die Relevanz des Themas für die eigene Karriere. Dabei geht die Kluft zwischen digitaler Notwendigkeit und guter Vorbereitung vor allem in der Medizin und dem Rechtswesen auseinander. Aber auch die IT-Fachkräfte und Ingenieur*innen von morgen spüren große Lücken.
Dies geht aus neuesten Ergebnissen unserer Fachkraft 2030 Studienreihe hervor. Die aktuellen Zahlen werden an einigen Stellen mit der Erhebung zur Digitalisierung aus dem Jahr 2019 verglichen.
Besser vorbereitet als 2019 – aber weit entfernt von gut
Im Vergleich zur Befragung zur Digitalisierung im Jahr 2019 ist die Zahl der Studierenden, die sich gut auf die digitalen Anforderungen in ihrem künftigen Beruf vorbereitet fühlt, leicht gestiegen. Waren es damals 46 %, sind es heute 51 %. Am besten fühlen sich nach wie vor Studierende der Informatik (69 %) und Medien- und Kommunikationswissenschaften (69 %) vorbereitet. Gefolgt von den künftigen Ingenieur*innen (58 %). Mit am schlechtesten vorbereitet fühlen sich Sprach- und Kulturwissenschaftler*innen (35 %) sowie Studierende aus der Medizin und den Gesundheitswissenschaften (37 %).
Und das obwohl angehenden Mediziner*innen und Studierende der Gesundheitswissenschaften mit 82 %, die Notwendigkeit der Digitalisierung für ihr Berufsleben am höchsten einschätzen. Auch bei Jura-Studierenden ist die Kluft zwischen Vorbereitung und künftiger Notwendigkeit enorm. Immerhin 73 % messen der Digitalisierung eine große Bedeutung zu, gut vorbereitet fühlen sich aber auch hier nur 29 %.
Der Anteil der Studierenden, die sich gut vorbereitet fühlen, hat sich in den vergangenen drei Jahren nur leicht verbessert und fällt insbesondere in systemrelevanten Berufen wie im Gesundheitsbereich und im Rechtswesen viel zu gering aus. Selbst unter den Informatiker*innen fühlt sich fast ein Drittel nicht gut auf digitale Herausforderungen vorbereitet. Das ist besorgniserregend, sind das schließlich die IT-Fachkräfte von morgen, die maßgeblich zum digitalen Wandel und damit zur Zukunftsfähigkeit Deutschlands sowie der digitalen Sicherheit beitragen sollen. Hier muss sich die Lehre verbessern. Darüber hinaus ist es aber ebenso wichtig für Studierende abseits des Hörsaals Erfahrungen zu sammeln, sich ausprobieren und aus ersten praktischen Erfahrungen lernen zu können. Nur so gewinnen sie Sicherheit und Zutrauen, die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt zu meistern. – Eckhard Köhn, CEO jobvalley
Durchbruch für Online-Vorlesungen und E-Learning
Die Corona-Pandemie hat die Hörsäle in den digitalen Raum verlagert. Hatten bei der Erhebung 2019 gerade einmal 41 % der Studierenden die Option, ihre Vorlesung zu streamen oder zu downloaden, waren es 2022 immerhin 75 %. Ähnlich stark haben sich auch blended Learning-Formate (Kombination aus Präsenz und E-Learning) durchgesetzt. Gaben 2019 lediglich gut 14 % der Studierenden an, diese Möglichkeit zu haben, waren es 2022 knapp 63 %. Auch Online-Diskussionsforen und interaktive Online-Formate, wie Webinare haben deutlich zugenommen.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Fortschritte trotz der nun wieder möglichen Präsenzlehre erhalten bleiben und sich weiter fortsetzen. Die Mehrheit der Studierenden arbeitet neben dem Studium, die Digitalisierung von Vorlesungen und den dazugehörigen Materialien bietet die nötige Flexibilität, um Studium und Beruf besser miteinander vereinen zu können. Das ist gerade jetzt, in Zeiten der Inflation und einer extrem schwierigen finanziellen Lage für Studierende, besonders wichtig. – Eckhard Köhn, CEO jobvalley
Weniger Veränderung gab es bei der Online-Verwaltung und den Lehrmaterialien: Für 85 % der Studierenden gehört die Online-Kurswahl und Vorlesungsplan-Koordination bereits zum Standard, 89 % der Befragten können zudem online auf Skripte und andere Kursmaterialien zugreifen.
Seit dem Start unserer Erhebung 2012 steigt die Miete für Studierende unaufhörlich. Und trotzdem müssen sie im bundesweiten Schnitt mit heute 35,6 Stunden rund 0,5 Stunden weniger pro Monat arbeiten, um ihre Mietkosten einzunehmen, als noch 2012. Das liegt an der insgesamt erfreulich positiven Entwicklung der Stundenlöhne für Studierende – die Löhne steigen schneller als die Mieten. Der durchschnittliche Stundenlohn für Student*innen lag im Erhebungszeitraum 2021 bei durchschnittlich 12,10 € und damit sogar bereits höher als der von der Bundesregierung angepeilte Mindestlohn von 12 € zum Ende dieses Jahres. – Eckhard Köhn, CEO jobvalley
Zu wenige PC-Arbeitsplätze und WLAN-Lücke
Trotz des Digitalisierungsschubs durch die Corona-Pandemie lässt die digitale Ausstattung an vielen Hochschulen zu wünschen übrig. Vor allem der Mangel an PC-Arbeitsplätzen ist groß. Nur 51 % der Studierenden gaben an, dass diese in ausreichendem Maß vorhanden sind. 2019 waren es noch 57 %. Auch die WLAN-Qualität scheint sich an manchen Standorten verschlechtert zu haben. 75 % der Studierenden finden an ihrer Hochschule „leistungsfähiges WLAN“, 2019 waren es noch 84 %.
Nach knapp zwei Jahren Home-Studium entspricht die Infrastruktur an manchen Hochschulen nicht den Anforderungen eines modernen Lehrbetriebs. Die Zukunft der Arbeitswelt als auch der Lehre liegt in hybriden Modellen aus Online und Präsenz. Hier bedarf es einer leistungsfähigen Infrastruktur vor Ort. – Eckhard Köhn, CEO jobvalley
Spitzenplätze in neuen Bundesländern
Insgesamt stufen fast 3/4 (73 %) der Studierenden das digitale Lehr- und Lernangebot an den Hochschulen als gut ein. Dabei zeigt sich jedoch ein starkes regionales Gefälle. Am zufriedensten mit dem digitalen Angebot sind Studierende in Thüringen (82%), gefolgt von Brandenburg und dem Saarland mit jeweils 79 %. Schlusslicht ist Rheinland-Pfalz mit 66 %. Diese Einschätzung korreliert auch damit, ob sich Studierende auf die digitalen Anforderungen im Berufsleben gut vorbereitet fühlen. So fühlen sich 60 % der Studierenden in Brandenburg gut auf die Digitalisierung am Arbeitsplatz vorbereitet. Gefolgt von Thüringen mit 57 %. Am schlechtesten fühlen sich Studierende in Schleswig-Holstein (43 %) vorbereitet.
Thüringen und Brandenburg machen vor, in welche Richtung sich die Hochschullehre in Deutschland entwickeln muss. Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass es einen Zusammenhang zwischen dem digitalen Lehr- und Lernangebot und der Vorbereitung auf das digitale Berufsleben gibt. Insgesamt reicht der Schub für Online-Vorlesungen und blended Learning-Formate jedoch nicht aus. Hier muss mehr passieren, damit sich letztlich alle Studierenden gut vorbereitet fühlen, denn es gibt kaum noch Berufe, die keine digitalen Herausforderungen und Chancen mit sich bringen. – Eckhard Köhn, CEO jobvalley
Die Sonderauswertung zum Thema „Studium und Beruf in Zeiten des digitalen Wandels" aus dem Jahre 2019 finden Sie hier. Die aktuelle Sonderauswertung mit dem Titel „Der digitale Wandel aus dem Blickwinkel von Studierenden" finden Sie hier.