Das Coronavirus ist in den Medien, den sozialen Netzwerken sowie im generellen beruflichen und privaten Austausch allgegenwärtig. Nicht selten wird dabei ein Bild junger Menschen, oft auch Studierender, gezeichnet, die unsolidarisch und im Irrglauben vermeintlichen Nicht-Betroffenseins einfach weiterfeiern. Aber stimmt das tatsächlich, oder halten sich die Hochschüler an die Kontaktbeschränkungen? So wie immer, ist es auch hier geboten, nicht Klischees und Vorurteilen anheimzufallen, sondern Fakten zu vertrauen. Wir sind der Thematik auf den Grund gegangen.
Köln, 25. April 2020: Derzeit sieht sich Deutschland mit einer der größten Herausforderungen der jüngeren Geschichte konfrontiert. Das Coronavirus schlägt mit Wucht auf die Wirtschaft und die Gesamtgesellschaft durch. Während bis zum 20. April Ladengeschäfte geschlossen blieben und die Öffnung nun langsam wieder anläuft, sind in vielen Bereichen auf längere Sicht Einschränkungen zu erwarten. Hilfszahlungen für Selbstständige und kleine Unternehmen, Kurzarbeitergeld und private Initiativen wie die Nachbarschaftshilfe sollen dazu beitragen, die Krise abzumildern. Alles für ein Ziel: Die Eindämmung der COVID-19-Pandemie.
Hierfür unverzichtbar ist die Einhaltung der Abstandsregeln. Dem diametral entgegengesetzt sind die berüchtigten Corona-Partys. Für viele ist der Sprung zum klischeehaften „Partystudenten”, der losgelöst von gesellschaftlicher Verantwortung dem Hedonismus frönt, dann nicht mehr weit. Zumal entsprechende Meldungen dies (scheinbar) bestätigen. Wir haben gemeinsam mit der Maastricht University die Haltbarkeit derartiger Thesen im Rahmen der Fachkraft 2030 überprüft.
Hintergrund: Wie ist die Situation im Sommersemester an den Hochschulen?
In Deutschland studieren aktuell fast 3 Millionen Menschen an über 400 Hochschulen. War das Studentenleben vor der Pandemie in erster Linie von Präsenzveranstaltungen geprägt, nicht selten in überfüllten Hörsälen und Seminarräumen, wurde quasi über Nacht alles anders. Der Beginn der Vorlesungszeit verschiebt sich, Prüfungstermine ebenso und Hochschulen wie die Ruhr-Universität Bochum verlagern das Sommersemester 2020 komplett ins Digitale. Für die Studierenden birgt dies Herausforderungen, sowohl im Hinblick auf das Studium als auch auf dessen Finanzierung. Zugleich lässt sich daraus eine Sensibilisierung für die Tragweite der Situation sowie die Wichtigkeit des Social Distancing ableiten.
Verhalten, Erwartungen und Befürchtungen der Studierenden: die Eckdaten
In den ersten Märzwochen breitete sich das Virus auch in Deutschland mehr und mehr aus. Der nordrhein-westfälische Hotspot Heinsberg, die Nicht-Absage des nahegelegenen Karnevals sowie die Rückkehrer aus dem österreichischen Corona-Epizentrum Ischgl werden im kollektiven Gedächtnis bleiben. Wir haben unsere Befragung am 16. März gestartet. Zu einem Zeitpunkt also, als die Zahl der Infizierten in Deutschland die 7.000er-Marke bereits überschritten hatte und die Politik weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf den Weg brachte.
Bis zum 12. April 2020 wurden annähernd 15.500 Studierende bundesweit zu ihren Verhaltensänderungen infolge der Pandemie sowie zu Erwartungen und Befürchtungen hinsichtlich der Auswirkungen auf ihr Studium befragt.
Groll und Vorurteil – halten Studierende im Privatleben ebenfalls Abstand?
Derzeit fallen Vorurteile vielerorts auf fruchtbaren Boden und der Groll auf vermutete Gefährder triggert Denunziantentum. Umso wichtiger ist die Feststellung, dass der Großteil der Hochschüler vom Verdacht der Pandemiebeförderung freizusprechen ist. Denn das Ergebnis ist eindeutig: Die Studierenden halten sich mehrheitlich an die Kontaktbeschränkungen und meiden Menschenansammlungen.
Es gibt zwar einen leichten Abwärtstrend dahingehend, dass weniger Studenten die Verhaltensregeln strikt befolgen. So fiel der Anteil derer, die größere Gruppen meiden, in der letzten Befragungswoche (6.4.–12.4.2020) um 12 Prozent; 4 Prozent weniger als zuvor verzichteten auf Treffen mit Freunden und Familie. Dennoch bleibt festzuhalten, dass zu diesem Zeitpunkt nach wie vor 82,6 Prozent die Vorgaben beherzigten. Es wäre demnach verfehlt, zu glauben, dass die Studierenden rücksichtslos der Verbreitung des Virus Vorschub leisten würden – im Gegenteil.
Die Befolgung der Regeln geschieht offensichtlich nicht aus Angst oder persönlichem Unwohlsein, mithin empfinden nur etwa 35 Prozent der angehenden Akademiker ein Gefühl der Unsicherheit im öffentlichen Raum. Hieraus lässt sich auf ein Handeln im Geiste der Goldenen Regel schließen – gelebte gegenseitige Rücksichtnahme.
„Weniger als 40 % der Studenten fühlen sich im öffentlichen Raum unsicher. Trotzdem halten sich über 80 % an die Vorschriften zum Treffen von Freunden und Familie, meiden Menschenansammlungen und waschen sich öfter die Hände. Für mich lässt das darauf schließen, dass sich Studierende bewusst darüber sind, dass sie zum großen Teil nicht zur Hauptrisikogruppe gehören, aber gleichzeitig eine Verantwortung gegenüber anderen haben.” – Eckhard Köhn, CEO Studitemps.
Existieren Unterschiede im Verhalten – und wenn ja, welcher Art?
Zunächst wird deutlich, dass es im Vergleich der Bundesländer Unterschiede im Verhalten gibt. Darüber hinaus fördert die Untersuchung Erstaunliches zutage.
„Für mich etwas überraschend ist, dass sich die Studierenden in NRW zuletzt am wenigsten eingeschränkt haben was Treffen mit Familien und Freunden angeht. Gerade die Menschen in NRW, dem Land aus dem der medial so präsente Fall Heinsberg stammt, sollten doch sensibilisiert sein für das Thema. “ – kommentiert Eckhard Köhn.
In Nordrhein-Westfalen, mit Agglomerationen wie der Metropolregion Rhein-Ruhr und entsprechend hoher Bevölkerungszahl, wohnen Studierende vor allem im dicht besiedelten urbanen Raum. Sie haben sich dort in letzter Zeit ungeachtet dessen weniger Beschränkungen im Umgang mit Freunden und Familie unterworfen.
Auch in Berlin halten sich mehr Studierende an Kontaktbeschränkungen als in NRW (und Sachsen). Zwar meiden in der Bundeshauptstadt weniger Hochschüler größere Ansammlungen. Jedoch liegt das Verhalten fernab vom Zerrbild der berghainisierten Partymetropole ohne Reue. In Bayern, wo die Auflagen früher eingeführt wurden und härter ausgeprägt sind, werden die Regeln indes noch konsequenter befolgt.
In der Gegenüberstellung männlicher und weiblicher Studierender entpuppen sich die Frauen als regeltreuer. So halten sich deutlich mehr Studentinnen als Studenten an die Kontaktbeschränkungen und auch von Menschenansammlungen fern. Auf dem Peak, in der Woche vom 23. März bis zum 29. März 2020, äußerten 90,2 Prozent der weiblichen Studierenden, dass sie Treffen mit Freunden und Familie derzeit einschränkten. Dieser Wert liegt 8,9 Prozent über dem ihrer männlichen Kommilitonen. Darüber hinaus mieden 91,8 Prozent nach eigener Aussage Menschenansammlungen. Im Vergleich zu den Männern sind dies plus 9,9 Prozent.
Von Hamstern, Bahn- und Nachrichtenabstinenzlern: weitere Ergebnisse
Die weiteren Resultate der Befragung zeigen ebenfalls Interessantes auf. Hinsichtlich der vielzititerten Hamsterkäufe ergibt sich hier ein Bild des Verzichts seitens der Studierenden. Nur etwa 20 Prozent beteiligten sich am Run auf Nudeln, Mehl, Toilettenpapier & Co. Dies kann Solidarität gegenüber anderen indizieren, aber auch den tendenziell geringeren finanziellen Mitteln und Lagermöglichkeiten geschuldet sein. Parallel dazu ist allgemein seit der 13. Kalenderwoche ein spürbarer Rückgang der Hortung von Artikeln des täglichen Bedarfs zu verzeichnen.
Dass weniger Studierende den ÖPNV nutzen, verwundert zunächst. Besonders, da sie dank Semesterticket doch üblicherweise zum günstigen – und zumeist auch obligatorischen – Pauschaltarif fahren. Dass dies gemeinhin großen Anklang findet, belegt unter anderem eine Studie des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) für das Jahr 2018. Lag der Anteil der Bus- und Bahnfahrer hier noch bei 58 Prozent, ergab unsere Erhebung aus der letzten Woche der Befragung einen gänzlich anderen Trend. 70,8 Prozent äußerten sich dahingehend, dass sie die öffentlichen Verkehrsmittel seltener nutzten oder gar nicht mehr darauf zurückgriffen. Die große Affinität der Studierenden zum Fahrrad lässt vermuten, dass derzeit in puncto Mobilität zumindest teilweise den Empfehlungen aus der Politik Folge geleistet wird.
Ein Trend, der wenig positiv stimmt, ist das zunehmende Desinteresse der Studierenden an der Nachrichtenlage. In der zweiten Woche verfolgten noch 79,5 Prozent der Befragten die Berichterstattung über die aktuellen Entwicklungen, gleichbedeutend mit dem Höchstwert. Ab dem ab dem 6. April sackte dieser Wert auf 67,5 % ab – ein Einbruch um ganze 12 Prozent. Es bleibt abzuwarten, ob es sich hierbei um eine zeitweilige, vorösterliche Abwendung infolge von Reizüberflutung oder eine tiefergehende Entfremdung handelt.
Welche Auswirkungen hat das Coronavirus auf das Studium?
Jeder Einzelne spürt die Folgen der Corona-Pandemie; die Studierenden als bedeutender Teil der Gesellschaft bilden hier naturgemäß keine Ausnahme. Welche Auswirkungen das Coronavirus in den Augen der Hochschüler auf die eigene Studienkarriere haben kann, haben wir daher im Zuge unserer jüngsten Erhebung ebenfalls eruiert. Das Ergebnis: Mindestens 50 Prozent, oftmals weit mehr, der Befragten befürchten negative Folgen. Hierzu zählen ausfallende Vorlesungen, abgesagte Prüfungen, erschwerte Vorbereitungen sowie eine längere Studiendauer.
„Ich denke, dass die Erwartung einer verlängerten Gesamtstudienzeit nicht nur auf eventuell ausgefallene Prüfungen und Vorlesungen zurückzuführen ist, die später nachgeholt werden müssen. Einige Studenten, die eventuell nur einen Bachelor machen wollten, werden sich das in der wirtschaftlichen Situation voraussichtlich nochmal überlegen. Der Jobeinstieg wird vermutlich schwieriger werden. Da hängen viele wohl lieber noch zwei Semester mehr im Bachelor oder gleich einen Master dran, statt zwei Jahre auf Jobsuche zu gehen. Und das halte ich auch für durchaus verständlich.”
– gibt Eckhard Köhn zu bedenken.
Zuversichtlicher sind die Studierenden im Hinblick auf ihr Auslandssemester. Lediglich rund 15 Prozent derer, die einen Aufenthalt geplant haben, erwarten dessen Absage oder Verschiebung. Hier bleibt abzuwarten, wie schnell sich insbesondere beliebte Länder von der Corona-Krise erholen. Beispiele für die teils stark abweichenden Entwicklungen: Während Großbritannien von der Pandemie sehr betroffen ist und die ebenfalls fallzahlenstarke USA durch einen Einreisestopp vorerst Fakten schafft, meldet Neuseeland aktuell nur wenige Neuinfektionen.
Eine Herausforderung: die finanziellen Einbußen der Studenten
Etwa zwei Drittel der Studierenden gehen laut unserer Erhebung aus dem letzten Jahr einer Nebentätigkeit nach: in erster Linie, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Die Daten aus der aktuellen Befragung ergeben folglich Beunruhigendes. Viele Studentenjobs sind während der Krise bereits weggebrochen – und der Trend setzt sich fort. Die ungünstige Verquickung von beliebten Arbeitsfeldern in Restaurants, Bars, Cafés und Einzelhandelsgeschäften, die abrupt schließen mussten, sowie krisenbedingten Einsparungen in Unternehmen bricht sich Bahn. In der abschließenden Woche der Befragung beklagten 52 Prozent der Teilnehmer finanzielle Einbußen. Dabei sind sie auf die Einkünfte dringend angewiesen.
Die gute Nachricht ist, dass auf anderen Gebieten eine sehr starke Nachfrage nach studentischen Aushilfen herrscht. Hierzu zählen der Lebensmitteleinzelhandel und die Logistik, aber auch Krankenhäuser und Labore. Bei Studitemps standen so für die Studierenden allein im Monat März 2020 mehr als 57.700 Jobeinsätze zu Buche.
Studitemps Fazit
Das Bild vom durchfeierernden Studenten in der Corona-Krise ist nur ein Klischee – und ein schlechtes dazu, wie auch andere Untersuchungen belegen. Die Realität gestaltet sich komplett anders. Zum einen, weil sich die Hochschüler sehr wohl verantwortungsbewusst verhalten, aber auch mit Blick auf die aktuelle universitäre und finanzielle Situation der Studierenden. Vielen dürfte im Angesicht volatiler wirtschaftlicher und akademischer Umstände, verbunden mit entsprechendem Stress, ohnehin Zeit, Geld und Lust zum Feiern fehlen.
Auch für die Zukunft stehen die Zeichen auf Veränderung: So wird der Einstieg ins Berufsleben für viele Absolventen in den kommenden Jahren anders sein, als es gewohnt und geplant war. Studitemps hat Lösungen für diese Herausforderungen: Studentische Nebenjobs (nicht nur) in Krisenzeiten und einen Service für Absolventen und Young Professionals. Somit bieten wir sowohl Studenten und Graduierten als auch Unternehmen wirkungsvolle Unterstützung.