Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben wir ein Interview mit Konstantinos Bach geführt. Konstantinos ist 30 Jahre alt und arbeitet als Pricing Manager B2B DACH bei Michelin. Er studierte zunächst Economics & Business Administration B. Sc. (Wirtschaftswissenschaften) an der Goethe-Universität in Frankfurt und anschließend Business Administration M. Sc. an der Philipps-Universität in Marburg. Und auch unsere Kollegin Steffi Uhlig, Teamlead Recruiting Young Professionals, hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt, berichtet von ihrer Erfahrung mit Konstantinos und kommentiert ebenfalls wichtige Fragen seines Interviews.
Wie wichtig sind realistische Erwartungen beim Berufseinstieg?
Das Wichtigste: ein gewisser Grad an Disziplin und Selbstreflexion sowie generelles Durchhaltevermögen.
Konstantinos, mit Blick auf den akademischen Arbeitsmarkt: Wusstest du nach Abschluss des Studiums, wo du beruflich hinwillst? Und entsprechen deine bisherigen Erfahrungen (in etwa) dieser Erwartung?
Ja, ich hatte klare Vorstellungen und wollte ursprünglich in die Unternehmensberatung gehen, da auch vieles im Studium die Absolvierenden in diese Richtung drängt. Meine Erfahrungen im Bewerbungsprozess haben mich aber aus unterschiedlichen Gründen immer mehr davon abrücken lassen, und ich bin sehr glücklich damit, in der Industrie gelandet zu sein. Zum Ende des Studiums habe ich tatsächlich nicht geahnt, dass ich meinen derzeitigen Job machen würde. Das verdeutlicht nur wieder, dass die Zukunft nicht immer planbar ist. Man sollte in solchen Fällen immer offen dafür sein, Dinge auszuprobieren, sofern man dabei grundsätzlich ein gutes Gefühl hat.
Wie war deine Erwartungshaltung hinsichtlich Jobchancen nach deinem Abschluss?
Ich habe es mir sicherlich etwas einfacher vorgestellt, war aber schon immer auch sehr realistisch in meiner Einschät- zung des deutschen Arbeitsmarktes bzw. zu bestimmten Branchen. Meine ersten Bewerbungen und Gespräche haben den Eindruck erweckt, dass die Unternehmen junge Mitarbeitende mit abgeschlossenem Studium und gleichzeitig 20 Jahren Berufserfahrung suchen – das war schon etwas entmutigend. Ich finde, dass Unternehmen hier jungen Leuten mehr Chancen eröffnen könnten, da ja bekanntlich noch kein Meister vom Himmel gefallen ist.
Perspektivgespräche innerhalb des studentischen Nebenjobs? Wie wichtig sind sie deiner Meinung nach?
Sogar sehr wichtig! Aus meiner Sicht muss man sich immer die Frage stellen, ob der Tätigkeitsbereich erfüllend ist und ob man seine mittel- oder langfristige Zukunft bei dem Unternehmen sieht. Solche Gespräche helfen auch dabei herauszufinden, ob der Arbeitgeber eine Perspektive über die studentische Anstellung hinaus für den Berufseinstieg bieten kann.
Gibt es etwas, was du an Erfahrungswerten den Fach- und Führungskräften von morgen mitgeben möchtest?
Das Wichtigste sind ein gewisser Grad an Disziplin und Selbstreflexion sowie generelles Durchhaltevermögen. Es gibt auch mal stressige oder schwierige Zeiten, aber wenn man gleich das Handtuch wirft, nimmt man sich selbst die Chance, etwas über sich selbst und seine Arbeit zu lernen. Danach kann man auch viel besser entscheiden, ob man für sich persönlich den richtigen Job gefunden hat.
Alles ist möglich: Denke grenzenlos, aber vergleiche dich nicht immer mit anderen, es gibt immer jemanden, der oder die einen noch cooleren Job hat.
Wie hast du Konstantinos kennengelernt und was hat ihn ausgemacht?
Mit Konstantinos bin ich im Jahr 2019 in Kontakt gekommen. Ich habe ihn damals über Xing für eine Einstiegsstelle im Pricing Management bei der Firma Michelin kontaktiert. Das Unternehmen suchte damals motivierte Berufseinsteiger*innen für die Abteilung Marketing und konnte sich vorstellen Universitätsabsolvent*innen mit Arbeitserfahrung in Form von Praktika oder Werkstudent*innentätigkeiten im Marketing, Vertrieb oder Controlling einzustellen. Hierbei kam es aber auch ganz besonders auf den persönlichen Fit an, denn das Unternehmen wünschte sich Bewerber*innen, die sich tatkräftig in das Unternehmen einbringen wollen und diese Chance nutzen. Konstantinos erfüllte diese Bedingungen und überzeugte, neben seinem beachtlichen Werdegang, durch seine wissenshungrige, motivierte und sympathische Art.
Wie war seine Erwartungshaltung hinsichtlich seiner Jobchance?
Ich würde seine Erwartungshaltung als realistisch und positiv bezeichnen. Konstantinos hat einen beeindruckenden Werdegang absolviert, sich breit aufgestellt und das Studium dafür genutzt, in verschiedenen Unternehmen und Fachbereichen Berufserfahrung zu sammeln. Wenn ich mich recht erinnere, hat er damals auch gemerkt, dass nicht alle Unternehmen wiederum realistische Vorstellungen von Berufseinsteiger*innen haben, was sehr ernüchternd sein kann. Er hat in unserem Gespräch die Chance, die Michelin hier bietet, sofort erkannt und diese genutzt. Die Stelle hat damals schon seine Erfahrungen, Stärken und Interessen vereint und er hat erkannt, dass er sich als Berufseinsteiger hier sehr gut entwickeln kann, ohne unrealistischen Anforderungen gerecht werden zu müssen.
Wie realistisch sind die Erwartungen seitens der Unternehmen?
Es gibt noch immer viele Unternehmen, die die klassische „eierlegende Wollmilchsau” suchen und sich den Bedingungen des Arbeitsmarktes noch nicht angepasst haben. Man kann von Absolvent*innen mit Mitte 20 nicht erwarten, dass diese fachlich und persönlich komplett ausgereift sind, sondern muss ihnen die Chance bieten, dass sie sich im Unternehmen entwickeln können. Im Vordergrund sollte meiner Meinung nach immer stehen, welche Motivation und Antrieb Bewerber*innen mitbringen. Gleichzeitig haben sich in den letzten Jahren aber auch die Erwartungshaltungen der Bewerber*innen stark verändert. Da der Arbeitsmarkt aktuell deutlich auf der Seite der Bewerber*innen steht, können Chancen auch mal falsch eingeschätzt werden.
Steffi, gibt es etwas, was du an Erfahrungswerten den Fach- und Führungskräften von morgen mitgeben möchtest?
Nutze dein Studium um Erfahrung zu sammeln: Du musst dich nicht unbedingt direkt spezialisieren. Teste aus, was dir Spaß bereitet und was nicht, geh ins Ausland und lerne Menschen und Kulturen kennen, um dann besser zu bewerten, was dich antreibt.
Bewerte deine Chancen realistisch: Berufseinsteiger*innen müssen sich im Unternehmen erstmal beweisen – gib dafür immer dein Bestes, aber verkauf dich nicht unter deinem Wert.
Schau, was in einem Unternehmen möglich ist: Meiner Erfahrung nach besetzen Unternehmen ihre Führungspositionen am liebsten mit internen Mitarbeiter*innen, statt extern jemanden einzustellen. Manchmal braucht es etwas Durchhaltevermögen und Disziplin, bis sich eine Tür öffnet.
Feedback: Hole dir ständig Feedback ein von deinen Kolleg*innen, Vorgesetzten und auch im persönlichen Umfeld!
Geld ist nicht alles: Schau lieber, was das Unternehmen für deine Weiterentwicklung und deine Gesundheit tut, denn das wird dir den langfristigen Vorteil verschaffen.
Überwinde Hindernisse: Nicht alles läuft im Job immer super – überwinde schlechte Tage und Misserfolge, erst dann kannst du wachsen.
Alles ist möglich: Denke grenzenlos, aber vergleiche dich nicht immer mit anderen, es gibt immer jemanden, der einen noch cooleren Job hat.
Vielen Dank für eure Einschätzungen, Konstantinos und Steffi. Das gesamte Interview mit Konstantinos Bach gibt es in unserer Fachkraft 2030 Jubiläumsausgabe.
Svenja Mehling
Mich begeistern Worte, Texte und Bücher. So bin ich nach dem Studium der Mehrsprachigen Kommunikation in Köln zu meinem ersten Job im Content Marketing eines Tourismus-Unternehmens gekommen. Seit Juli 2022 bin ich nun als Content Manager im Marketingteam bei jobvalley tätig.