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Zeitarbeit: Gesetzliche Änderungen 2026

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veröffentlicht am 15.12.2025

Die Zeitarbeit, oft auch als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet, erlebt in vielen Wirtschaftszweigen einen bemerkenswerten Aufschwung. Was einst primär zur Deckung kurzfristiger Spitzen oder als Notlösung galt, hat sich zu einem strategisch unverzichtbaren Instrument in der modernen Personalplanung entwickelt. Für Unternehmensvertreter*innen oder Arbeitgeber*innen bietet dieser Boom weit mehr als nur eine flexible Personalreserve. Er eröffnet neue Wege zur nachhaltigen Risikostreuung, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur effizienten Talentakquise.

In dem Maße, wie Arbeitsmärkte volatiler, technologische Anforderungen komplexer und Fachkräfte knapper werden, gewinnt Zeitarbeit an Bedeutung: clevere Unternehmen nutzen sie nicht nur, um kurzfristige Einbrüche abzufedern, sondern um Agilität, Innovationskraft und operative Effizienz langfristig zu sichern und zu skalieren.

Treiber und Ökonomische Fundamente des aktuellen Zeitarbeitsbooms

Der aktuelle Boom ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis mehrerer sich verstärkender makro- und mikroökonomischer Entwicklungen, die das traditionelle Arbeitsmodell nachhaltig verändern.

Die makroökonomische Perspektive

Die wirtschaftliche Landschaft in Deutschland und Europa ist zunehmend geprägt von externen Unsicherheiten. Dazu gehören unsichere Lieferketten, schwankende Kundennachfrage, geopolitische Konflikte und die Notwendigkeit, schnell auf Energiepreisschwankungen zu reagieren. Solche Volatilität zwingt Firmen, ihre Personalkapazitäten maximal flexibel halten zu können – ohne dabei die Stammbelegschaft zu überlasten oder langfristige Verpflichtungen einzugehen. Die Zeitarbeit bietet hier die notwendige stoßdämpfende Funktion.

Fachkräftesicherung und Demografie

Parallel dazu verschärft der Fachkräftemangel, insbesondere in Mangelberufen wie IT, Ingenieurwesen, Mechatronik, Handwerk oder Pflege, die Lage. Aufgrund demografischer Entwicklungen und rückläufiger Nachwuchsquoten gelingt es immer seltener, offene Stellen auf Dauer mit qualifizierten Fachkräften zu besetzen. Zeitarbeitsfirmen treten hier als aktive Talentscouts und Kompetenz-Pools auf, deren Netzwerke oft Zugang zu Spezialist*innen gewähren, die klassischen Recruitingprozessen verborgen bleiben. Zeitarbeit dient somit als temporäre Brücke zum Know-how-Transfer.

Wandel der Arbeit und Digitalisierung

Der Wandel hin zu einer projektbasierten Wirtschaft, getrieben durch Digitalisierung und agile Methoden, begünstigt die Zeitarbeit massiv. Unternehmen haben häufig punktuelle Bedarfe – zum Beispiel für Software-Migrationsprojekte, Cybersecurity-Audits, die Implementierung neuer ERP-Systeme oder kurzfristige Produktentwicklungen –, die sich kaum mit fest angestelltem Personal sinnvoll abbilden lassen. Zeitarbeit bietet die Möglichkeit, solchen Schwankungen mit exakt passgenauen Kompetenzen zu begegnen, die nur für die Dauer des Projekts benötigt werden.

Strategische Vorteile der Arbeitnehmerüberlassung für Wettbewerbsfähigkeit

Die gezielte Integration von Zeitarbeit in die Personalstrategie kann sich in verschiedenen Bereichen auszahlen und Unternehmen signifikante Wettbewerbsvorteile verschaffen:

1. Finanzielle Optimierung und Risikomanagement

Durch die Verlagerung von fixen Personalkosten (Gehälter, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsansprüche der Stammmannschaft) in variable Betriebskosten (Dienstleistungspauschale des Verleihers) verbessert sich die finanzielle Stabilität. Dies ist besonders vorteilhaft in konjunktursensiblen oder saisonal schwankenden Branchen, da das Unternehmen die Kostenstruktur direkt an den Umsatz anpassen kann. Dies reduziert das Risiko unproduktiver Phasen und optimiert die Bilanzkennzahlen.

2. Der strategische "Try-and-Hire"-Ansatz

Das Try-and-Hire-Modell ist heute eines der wichtigsten Recruiting-Instrumente. Es dient vielen Unternehmen als risikominimierender Talent-Check: Bis zu 18 Monate können Zeitarbeitskräfte unter realen Bedingungen eingesetzt werden, bevor über eine Festanstellung entschieden wird – im Rahmen der zulässigen Höchstüberlassungsdauer (§ 1 Abs. 1b AÜG). Die Leistung, die Soft Skills und die kulturelle Passung von Arbeitskräften können unter realen Betriebsbedingungen getestet werden, bevor eine feste Einstellung entschieden wird. Dies reduziert die Kosten für Fehlbesetzungen massiv und verbessert die Qualität der Neueinstellungen. Die Übernahmequote qualifizierter Zeitarbeitnehmer*innen steigt kontinuierlich und bestätigt den strategischen Wert dieses Modells.

3. Effizienzgewinn und HR-Entlastung

Der gesamte administrative Aufwand, der mit der Anstellung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen verbunden ist – von der Rekrutierung über die Vertragsgestaltung bis hin zur Gehaltsabrechnung und Sozialversicherungsmeldung – liegt vollständig in der Verantwortung des Zeitarbeitsunternehmens. Dies verschafft der internen HR-Abteilung Freiräume, um sich auf strategische HR-Themen wie Mitarbeiterbindung, Employer Branding, Organisationsentwicklung und interne Qualifizierung zu konzentrieren, anstatt sich in administrativen Aufgaben zu verlieren.

Die Dynamik von 2025 und der detaillierte Ausblick auf 2026

Das Jahr 2025 war für die Zeitarbeitsbranche von einer Konsolidierung des Wachstums geprägt. Die Nachfrage stabilisierte sich auf hohem Niveau, wobei der Fokus stark auf hochqualifizierten Nischen lag (z. B. spezialisierte Ingenieurinnen oder IT-Architektinnen).

Marktentwicklungen in 2025

  • Qualifizierungsschub: Aufgrund des Fachkräftemangels investierten Verleiher*innen 2025 verstärkt in die Weiterbildung ihrer überlassenen Mitarbeiter*innen (z. B. Zertifizierungen im Cloud-Bereich), um diese noch gezielter auf die komplexen Bedarfe der Entleiherunternehmen vorzubereiten.

  • Digitalisierung der Prozesse: Die Einführung digitaler Onboarding- und Verwaltungslösungen bei Personaldienstleister*innen beschleunigte die Verfügbarkeit von Kräften und vereinfachte die Einhaltung der AÜG-Dokumentationspflichten für Entleiherunternehmen.

  • Betriebsräte und Mitbestimmung: Die verstärkte Nutzung von Zeitarbeit führte 2025 zu einem höheren Augenmerk der Betriebsräte auf die Integration und die Einhaltung des Equal-Pay-Grundsatzes – eine enge Abstimmung mit dem Betriebsrat im Entleiherbetrieb wurde noch wichtiger.

Frage an unsere inhouse-Expertin: Was lassen wir im Jahr 2025 hinter uns und warum ist das gut so?

"Definitiv die papiergebundenen Abläufe! Mit dem 4. Bürokratieentlastungsgesetz wurde unter anderem die Textform für Überlassungsverträge und bestimmte Nachweispflichten ermöglicht – das ist ein echter Fortschritt. In den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zum AÜG findet sich das nun ebenfalls wieder. So können wir z. B. Überlassungsverträge oder NachwG-Niederschriften rechtssicher in Textform (E-Mail, PDF etc.) erstellen – und sind nicht mehr an die Schriftform gebunden."

Hana Babzartaby, Vice President Legal & Compliance

Rechtliche und organisatorische Herausforderungen für 2026

Mit Blick auf das Jahr 2026 stehen Unternehmen vor potenziellen rechtlichen und tariflichen Anpassungen, die eine vorausschauende Planung erfordern:

  • Tarifvertragsanpassungen (Equal Pay und Branchenzuschläge): Aufgrund der anhaltenden Lohn-Preis-Spirale und der Knappheit bestimmter Berufsgruppen wird erwartet, dass die Tarifpartner (BAP, iGZ) die Branchenzuschläge sowie die Einstiegsentgelte in den Zeitarbeitstarifen weiter erhöhen werden. Dies erfordert von Entleiherunternehmen eine Neukalkulation der Überlassungssätze und eine Überprüfung der internen Equal-Pay-Kalkulationen, um die Equal-Pay-Frist von neun Monaten bei tariflich abweichender Bezahlung korrekt zu überwachen.

  • Fokus auf Arbeitszeitdokumentation: Es wird erwartet, dass die Rechtsprechung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung auch für Zeitarbeitnehmer*innen klare Vorgaben liefern wird. Das Entleiherunternehmen muss sicherstellen, dass die Arbeitszeiten der überlassenen Kräfte präzise, manipulationssicher und diskriminierungsfrei erfasst werden.

  • Potenzielle AÜG-Reformdiskussionen (Harmonisierung): Auf europäischer Ebene werden die Diskussionen über eine Harmonisierung der Arbeitsbedingungen und eine stärkere Regulierung befristeter Arbeitsverhältnisse erwartet. Obwohl keine sofortigen Änderungen der 18-Monats-Frist anstehen, müssen Unternehmen die Debatten verfolgen, da mittel- und langfristig Anpassungen zur Angleichung der Arbeitsrechte innerhalb der EU erfolgen könnten.

Frage an unsere inhouse-Expertin: Was wird uns 2026 im HR- und Recruiting-Markt besonders beschäftigen?

"2026 wird für die Zeitarbeitsbranche ein echtes Strukturjahr.
Zum 01.01.2026 tritt das neue DGB/GVP-Tarifwerk in Kraft und ersetzt die bisherigen BAP- und iGZ-Tarifverträge für GVP-Mitglieder vollständig. Für nicht tarifgebundene Unternehmen bleibt der Beitritt optional, die neuen Tarife gelten aber unmittelbar in allen Neuverträgen bei GVP-Mitgliedern ab 01.01.2026.

Das bedeutet: Eingruppierung, Entgeltlogik und viele arbeitsvertragliche Standards werden neu gerahmt – und müssen in HR-, Payroll- und Compliance-Prozessen sauber abgebildet werden. Gleichzeitig bleiben Themen wie Equal Pay, Höchstüberlassungsdauer und Branchentarifzuschläge zentrale Pflichtübungen – nur eben mit höherer Erwartung an Transparenz, Dokumentation und digitale Nachvollziehbarkeit.

Ich bin überzeugt: HR wird 2026 noch technischer. Wer Arbeitnehmerüberlassung macht, braucht nicht nur gute Recruiter, sondern Systeme, die AÜG-, Tarif- und Datenschutz-Anforderungen durchgängig unterstützen – von der Vertragsgestaltung über die Einsatzplanung bis hin zur Lohnabrechnung. Schwere oder wiederholte Verstöße können bis zum Widerruf der AÜ-Erlaubnis führen (§ 5 AÜG); das macht saubere, digital unterstützte Prozesse zu einem echten Wettbewerbsfaktor."

Hana Babzartaby, Vice President Legal & Compliance

Compliance, Haftung und Erfolgsfaktoren für Arbeitgeber*innen

Die Nutzung von Zeitarbeit erfordert aufgrund des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ein hohes Maß an Sorgfalt und Compliance. Die Nichteinhaltung kann schwerwiegende Konsequenzen, bis hin zum Verlust der Überlassungserlaubnis, nach sich ziehen.

  • Höchstüberlassungsdauer und Fiktiv-Arbeitsverhältnis: Die Überlassung darf üblicherweise maximal 18 Monate bei demselben Unternehmen dauern. Bei Überschreitung kommt es automatisch zum Fiktiv-Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher*in und Zeitarbeitnehmer*in. Präzise Dokumentation und ein effektives Überwachungssystem zur Einhaltung dieser Frist sind absolut notwendig.

  • Equal Pay/Equal Treatment: Die Pflicht zur Gleichbehandlung (Lohn und wesentliche Arbeitsbedingungen) gilt ab dem ersten Tag, die Lohnangleichung (Equal Pay) spätestens nach 9 Monaten. Unternehmen müssen für vergleichbare Stammarbeitnehmer*innen Bezugsgehälter definieren und dem Verleiher*der Verleiherin transparent mitteilen, um die korrekte Lohnzahlung zu gewährleisten.

  • Arbeits- und Gesundheitsschutz: Die volle Verantwortung für Sicherheit und Unfallverhütung am Einsatzort trägt das Entleiherunternehmen. Dies umfasst umfassende Einarbeitung, Schulungen und die Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstung (PSA) analog zur Stammbelegschaft. Eine lückenlose Dokumentation der Unterweisungen ist zwingend.

  • Sorgfältige Partnerwahl (Due Diligence): Die Wahl eines*einer zertifizierten und zuverlässigen Personaldienstleisters*Personaldienstleisterin ist entscheidend. Es muss die Lizenz zur Arbeitnehmerüberlassung geprüft, die Einhaltung von Tarifverträgen sowie die ordnungsgemäße Abführung von Sozialabgaben durch aktuelle Unbedenklichkeitsbescheinigungen belegt werden.

"Mein Lieblingsprojekt 2026 ist es, Compliance vom Angstthema zum Enabler zu machen.
Viele verbinden rechtliche Vorgaben mit „roten Karten“ und Verboten. Ich sehe es genau umgekehrt: Gute Compliance schafft Sicherheit – für Unternehmen, Mitarbeitende und Kund:innen.

Wer die AÜG-Pflichten nicht nur kennt, sondern digital umsetzt, schützt nicht nur seine Erlaubnis – sondern verschafft sich echte strategische Sicherheit."

Hana Babzartaby, Vice President Legal & Compliance

Fazit und Ausblick

Der gegenwärtige Aufschwung der Zeitarbeit hat die Arbeitnehmerüberlassung als strategisches Element der Unternehmensführung fest etabliert. Unternehmen, die Zeitarbeit nicht als reinen Kostenfaktor, sondern als Quelle der Agilität und des qualifizierten Zugangs zu Fachkräften betrachten, sichern sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Der Blick auf 2026 zeigt, dass sich die Branche weiter professionalisieren muss – insbesondere in Bezug auf die Einhaltung von Equal Pay und die digitale Dokumentation. Die kluge Nutzung der Überlassungsmodelle, die transparente Kommunikation im Team und die stringente Einhaltung der Compliance-Vorgaben sind die Schlüsselelemente, um die Potenziale der Zeitarbeit voll auszuschöpfen und das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen.

Disclaimer

Dieser Blogbeitrag dient der Information und ersetzt keine rechtliche Beratung. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen wir keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der bereitgestellten Informationen. Bitte wende dich für verbindliche Auskünfte an eine*n Fachanwält*in.

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