14. Oktober 2020 - Corona ist weiterhin das bestimmende gesellschaftliche Thema. Die Zahlen steigen, weltweit. Ein weiterer weltumspannender Begleiter, der widerum nicht vor einem Impfstoff halt macht, ist der Klimawandel. Mit beeinflusst wird dieser von der Art und Weise, wie wir uns fortbewegen – mit dem Rad, dem Auto oder der Bahn. Gerade bei Studenten, die einen Großteil der Fridays for Future Bewegung ausmachen, vermutet man eine große Umsicht, was die individuelle Mobilität betrifft. Ist dies tatsächlich der Fall und wenn ja, in welchem Maße? Hat die aktuelle Pandemie Einfluss auf die Art der Fortbewegung?
Um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie sich Studierende fortbewegen und ob sich seit dem Beginn der Coronakrise etwas an der Wahl des Verkehrsmittels geändert hat, werden Ergebnisse zweier repräsentativer Erhebungen der Studienreihe „Fachkraft 2030” von Studitemps in Zusammenarbeit mit der Universität Maastricht mit 28.500 Teilnehmern verglichen. Die einen stammen aus dem September 2019, also aus einer Zeit vor der Pandemie, die anderen aus dem September 2020, also nach dem Ausbruch von Covid-19. Schon jetzt kann festgehalten werden, dass sich das individuelle Mobilitätsverhalten enorm verändert hat.
Der ÖPNV wird deutlich weniger genutzt – vor allem Frauen steigen aus
Normalerweise nutzen vor allem Studenten den öffentlichen Nahverkehr sehr häufig, Dies belegen die Zahlen vom September 2019. Rund 45 Prozent der Teilnehmenden geben an, fast täglich mit Straßenbahn oder U-Bahn unterwegs zu sein. Immerhin 35 Prozent nutzen genauso häufig den Linienbus. Bei Regional- und S-Bahnen sind es immerhin 30 Prozent. Dies trifft auf Männer und Frauen gleichermaßen zu – die Unterschiede sind marginal.
Im September 2020 stellt sich bei allen Varianten ein gänzlich anderes Bild dar. Statt 45 Prozent, nutzen nur noch 31 Prozent die Straßen- oder U-Bahn täglich. Linienbusse erleben einen Abfall von 11 Prozent, von 35 auf 24 Prozent. Die tägliche Nutzung der Regionalbahn oder S-Bahn sinkt von 30 auf nicht einmal mehr 20 Prozent. Dementsprechend hat sich auch der Anteil derjenigen, die am ÖPNV gar nicht teilhaben, um etwa fünf Prozent erhöht. Zudem nutzen Männer den ÖPNV nun deutlich mehr als Frauen.
„Diese Entwicklung hängt vermutlich vor allem mit der durch die Krise verursachten schnellen Digitalisierung in der Universitäts- und Arbeitswelt zusammen. Für Unternehmen, die Homeoffice vor einem Jahr noch für unmöglich hielten, ist es mittlerweile zur Normalität geworden. Die Differenz zwischen Männern und Frauen kann damit zusammenhängen, dass männliche Studierende in ihren Jobs vermehrt körperlichen Betätigungen nachgehen und die Wohnung somit zwangsläufig verlassen müssen”, erklärt der Geschäftsführer von Studitemps, Eckhard Köhn.
Regional- oder Fernverkehr – Die Studierenden haben einen klaren Favoriten
Abgesehen vom ÖPNV gibt es auch noch den Schienenfernverkehr, etwa den IC oder ICE. Wie schlägt er sich gegenüber der Regionalbahn – Flixtrain ausgenommen. Regionalbahnen nutzten im September 2019, wie bereits erläutert, etwa 30 Prozent der Studierenden täglich. Ganz anders sieht es beim Fernverkehr aus, der im vergangenen Jahr lediglich von 4,5 Prozent der Befragten täglich und von fast 39 Prozent gar nicht genutzt wurde.
Ein Jahr später hat sich die Nutzung nochmals verringert. So wird der Fernverkehr der Bahn nur noch von 3,2 Prozent der Studierenden fast täglich in Anspruch genommen. Mehr als 46 Prozent und damit fast die Hälfte aller Befragten nutzt den Fernverkehr gar nicht. Ein Grund für die Verringerung scheint die Pandemie zu sein. „Die ohnehin geringe Bedeutung des Fernverkehrs für Studierende hat jedoch auch andere Ursachen. Zum Einen wohnen die meisten Studenten an ihrem Studienort, weshalb sie den Fernverkehr nur selten benötigen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Kostenpunkt. Ein ICE, etwa von Berlin nach Köln, kann schonmal mehr als 100 Euro kosten. Sehr viel Geld, nicht nur für Studierende, die dann lieber auf die Konkurrenz oder auch das eigene Auto umsteigen. Man könnte sagen, dass sich nicht jeder umweltfreundliche Mobilität leisten kann”, folgert Köhn.
Die Deutsche Bahn kann nicht überzeugen – Nur eine Minderheit ist zufrieden
Wie häufig die Bahn genutzt wird, hängt darüber hinaus mit der Zufriedenheit der Angebote zusammen. Bei dessen Befragung zeigt sich, dass sich Zufriedenheit und Unzufriedenheit sowohl im Regional- als auch im Fernverkehr der Deutschen Bahn in etwa die Waage halten. Mit dem Fernverkehr sind 10,4 Prozent der Befragten zufrieden. Unzufrieden zeigen sich 12,8 Prozent der Teilnehmenden.
Fast identisch ist das Meinungsbild mit Blick auf den Regionalverkehr der Deutschen Bahn. Hier geben 10,1 Prozent der Befragten an, zufrieden zu sein, wohingegen 12 unzufrieden sind.
„Es zeigt sich, dass nur ein geringer Teil der Studierenden mit den Angeboten der Bahn grundsätzlich unzufrieden ist. Für die Deutsche Bahn deutlich besorgniserregender ist, dass lediglich um die zehn Prozent gänzlich zufrieden mit den Angeboten sind”, so der Geschäftsführer vom Studitemps.
E-Roller werden immer beliebter – Nutzung mehr als verdoppelt
Aufgrund der teils geringen und vor allem stark gesunkenen Nutzerzahlen des ÖPNV könnte man meinen, dass die Studierenden sich andere Möglichkeiten der Fortbewegung suchen. Doch das Leihen von zweirädrigen Fahrzeugen gehört auf den ersten Blick eher nicht dazu. Im September 2019 geben 86 Prozent der Befragten an, sich Fahrräder und E-Roller gar nicht zu leihen. Lediglich 1,5 Prozent leihen sich fast täglich ein Rad. Bei den E-Rollern sind es 1,8 Prozent.
Ein Jahr später – im September 2020 – bleibt der Anteil jener, die Leihräder oder Leih-E-Roller gar nicht nutzen, weiterhin bei deutlich über 80 Prozent. Die tägliche Nutzung von Leihrädern steigt auf 2,6 Prozent, die von E-Rollern hat sich mit 4,6 Prozent sogar mehr als verdoppelt.
„Ob diese Entwicklung direkt mit der Pandemie, etwa als Freiluft-Ersatz zum ÖPNV, zusammenhängt, ist fraglich”, so der Geschäftsführer von Studitemps, der ergänzt: Wahrscheinlicher ist, dass sich E-Roller als generelle Alternative immer mehr etablieren.”
Deutschland bleibt Autoland – Fast 50 Prozent besitzen einen eigenen PKW
Die Sharing-Ökonomie wächst, zumindest in subjektiver Wahrnehmung. Besitz scheint jedoch noch immer vielen wichtig zu sein. Zwar haben nur 2,5 Prozent der Befragten ein eigenes E-Bike. Jedoch nennen 65 Prozent ein klassisches Fahrrad und mit 48 Prozent fast die Hälfte aller Studierenden einen PKW ihr eigen. Das am häufigsten genutzte eigene Verkehrsmittel ist das Fahrrad. Rund 26,5 Prozent aller Befragten nutzen es fast täglich. Das Auto nutzen täglich 15,6 Prozent, das E-Bike lediglich 0,5 Prozent.
„Die Zahlen”, so Eckhard Köhn, sprechen eine deutliche Sprache. Deutschland bleibt noch immer Autoland.” Dies bestätigt ein kleiner Exkurs mit der Frage nach dem Besitz eines Führerscheins der Klasse B. Es stellt sich heraus, dass 59,2 Prozent der Befragten einen solchen besitzen, während 28,1 Prozent angeben, ihn später machen zu wollen. 12,7 Prozent und somit ein Achtel aller Befragten möchte gar keinen Führerschein machen. Diese Ergebnisse widersprechen Zahlen des Bundeskraftfahrtamts, nach denen die Anzahl der Fahrschüler deutlich abgenommen hat. „Geht man davon aus, dass 28,1 Prozent der Studierenden, die noch keinen Führerschein der Klasse B haben, ihn später nachholen, ergeben sich 87,3 Prozent. Somit bleibt die Zahl der Autofahrer nicht nur hoch, sie steigt sogar. Gleiches gilt im Übrigen für die Zahl der in Deutschland zugelassenen Pkw, die noch nie so hoch war.
Fazit
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Nutzungshäufigkeit der einzelnen Verkehrsmittel innerhalb des vergangenen Jahres drastisch verschoben hat. Der ÖPNV wird, beeinflusst durch die Pandemie, weniger in Anspruch genommen – vor allem von weiblichen Studierenden, was sicherlich auch mit der geringen Zufriedenheit mit der Deutschen Bahn von lediglich etwas über zehn Prozent zusammenhängt. E-Roller werden 2020 hingegen deutlich öfter geliehen als 2019. Dies scheint jedoch keine direkte Folge von Covid-19, sondern vielmehr dem wachsenden Markt geschuldet zu sein. Auffällig ist zudem die mit fast 50 Prozent unabhängig von der Pandemie hohe Zahl an Autobesitzern unter Studierenden. Es wird spannend zu beobachten sein, ob sich dieser Trend, die Bahn im Zuge der Pandemie weniger und das Auto wegen der Furcht vor einer Ansteckung, mehr zu nutzen, verstetigt. Mit der Menschheitsaufgabe Klimawandel im Rücken wäre dies eine fatale Entwicklung, die dem aktuellen Trend zum Verzicht für die Umwelt diametral entgegen stünde” schlussfolgert Eckhard Köhn.
Alle Grafiken aus dieser Studie stammen von Studitemps GmbH/Maastricht University und sind hier zu finden:
https://drive.google.com/drive/folders/1MwHKyvwuTABEVLN0GqELqFZb6y_5ZqYX