Erfolgsmodell Bachelor? Zum Start unserer Forschung 2012 wollten lediglich 9,5 Prozent aller Studierenden die Hochschule bereits mit dem Bachelor in der Tasche verlassen, um beruflich einzusteigen. Dieser Anteil hat sich inzwischen verdoppelt, was zeigt, wie sehr das studentische Vertrauen in die „berufliche Power“ des Bachelors gewachsen ist. Ein Gefühl, das sich übrigens auch in der Praxis widerspiegelt, wo Arbeitnehmer*innen in immer größerer Zahl auf die Dienste von Bachelorabsolvent*innen setzen.
Nicht nur die Wirtschaft, auch die Studierenden selbst haben sich lange Zeit schwer getan, im Bachelor einen vollwertigen Hochschulabschluss zu sehen. Als eines von zahllosen Beispielen für diese Wahrnehmung war noch 2015 in einem Kommentar der FAZ zu lesen: „Zu jung und unerfahren, zu schlecht auf die Arbeitswelt vorbereitet, zu viele Abbrecher: Erst wollten alle jüngere Absolventen und Berufseinsteiger. Jetzt ist das auch wieder nicht recht.“
Zu dieser ernüchternden Bestandsaufnahme muss man wissen, dass es in Deutschland über Jahrzehnte guter akademischer Brauch war, Hochschulabschlüsse als eine Art Endlosgipfel zu betrachten, für den es halt eher sechs bis acht Jahre brauchte – aber ganz bestimmt keine drei oder dreieinhalb. Wo kommen wir da denn hin!?, war in etwa der Tenor. In der Folge blieb den allermeisten Hochschülerinnen und -schülern lange gar nichts anderes übrig, als gleich im Anschluss an den Bachelor den Master dranzupacken. Schließlich zeigte sich das schlechte Standing des Bachelors auch in den Gehältern, die Absolvent*innen noch vor wenigen Jahren angeboten wurden. „Dafür hättest du aber nicht studieren müssen“, lautete wahrscheinlich oft die quälende Einordnung am Tisch der Eltern.
Zeitsprung ins Jahr 2022: Der Bachelor ist wie verwandelt – gut bezahlt und anerkannt
Dagegen ist heute – 2022 – vom Generalverdacht der akademischen Untauglichkeit so gut wie keine Rede mehr. Im Gegenteil, der Zuspruch zum Bachelor steigt unaufhörlich, was sich klar auch an den Zahlen unserer Fachkraft-Befragungen ablesen lässt. Zum Vergleich: 2012 gaben bei uns gerade einmal 9,5 Prozent der Studis an, der Hochschule mit dem Bachelor in der Tasche tschüss sagen zu wollen. Zum Wintersemester 2016/2017 waren es dann bereits 14,4 und 2020 sogar der bisherige Spitzenwert von 19,5 Prozent. Im Vergleich zum Ausgangswert von 2012 entspricht das ungefähr einer Verdopplung. Und siehe da, auf einmal liegt der Bachelor klar auf Kurs Erfolgsmodell.
Es ist ein Perspektivwechsel, an dem natürlich auch die Wirtschaft ihren Anteil hat – und inzwischen gutes Geld auf den Tisch legt, um sich die Dienste eben jener Anfang-Zwanziger zu sichern, die vor Jahren noch als recht unbrauchbar beschrieben wurden. Im Resultat liegt das durchschnittliche Einstiegsgehalt von Bachelorabsolvent*innen mittlerweile bei rund 40.000 Euro. Oder anders ausgedrückt: Heute winken auch schon mit dem „kleinen Abschluss“ in der Tasche ordentlich bezahlte Einstiegsjahre, auf die sich aufbauen lässt – wahlweise durch Verbleib im Job oder einen zeitversetzten Master. Das zeigt, dass junge Absolvierende inzwischen echte Optionen haben, ganz ohne Not und Rechtfertigungsdruck. So soll es auch sein.
Apropos Optionen: Zum Wintersemester 2021/2022 gab es in Deutschland fast 9.400 Bachelor-Studiengänge. Numerisch gesehen spiegelt dies ebenfalls die Wachstumsgeschichte des in Deutschland erst 2002 eingeführten Abschlusses wider. Zum Vergleich: 2005 mussten Bachelor-Studierende noch mit einem Bruchteil an Wahlmöglichkeiten auskommen, damals lag die Zahl der angebotenen Studiengänge gerade einmal bei etwas über 2.000. Sicherlich, manchen Kritikern erscheint das erreichte Niveau an Wahlmöglichkeiten inzwischen als zu hoch, zu zerfranst, zu wenig leistungstransparent. Vor allem aber ist es doch begrüßenswert, dass junge Menschen mit all ihren beruflichen Interessen heute ziemlich punktgenau von den Hochschulen abgeholt werden können.
Umgekehrt erkennen im Bachelor noch immer 80 % der Befragten nicht das Ziel der Ziele
Ist damit alles paletti, was den Bachelor betrifft? Sagen wir es mal so: Man muss sich immer mehr in die Details begeben, um noch echten Nachholbedarf zu entdecken. Klar, bei unseren Fachkraft-Befragungen sagen immer noch über 80 Prozent der Teilnehmenden, dass sie eben nicht mit einem Bachelor als höchstem Abschluss liebäugeln. Wo da die „natürliche“ Grenze liegt? Wir werden es sehen, wenn sich das Ganze in den kommenden Jahren auf einem gewissen Niveau eingependelt hat.
Daneben gibt es auch regional noch recht deutliche Unterschiede, was die Akzeptanz des Abschlusses angeht. Da sind einerseits die Spitzenreiter Hamburg und Hessen, wo derzeit 22,7 respektive 22,5 Prozent aller Studierenden im Bachelor das Endziel ihrer hochschulischen Ambitionen sehen. Und andererseits sind da Vertreter wie Thüringen oder aber Mecklenburg-Vorpommern, wo jeweils keine 13 Prozent dem Bachelorglück Vertrauen schenken. Kurzum: Regional geht da noch was.
Im Großen und Ganzen aber scheint der noch junge Studienabschluss tatsächlich über den Berg zu sein, was man ihm vor wenigen Jahren nicht wirklich zugetraut hätte – zumal auch der Mangel an Fachkräften noch einmal zu einem Akzeptanzschub führen dürfte. Nämlich dadurch, dass sich in Deutschland im Zuge des demografischen Wandels demnächst viele (oder besser: viel zu viele) Menschen gleichzeitig in den Ruhestand verabschieden. Jung und nix drauf, dürfte es spätestens dann nicht mehr heißen. Und selbst wenn es bei Studierenden und Arbeitgebern noch Restzweifel gibt: Der Bachelor kann was! Das ist längst Fakt.