Baden-Württemberg befindet sich in der ökonomisch vorteilhaften Position, bei jungen Akademikern sehr beliebt zu sein – als Wunschland für den beruflichen Einstieg und (damit) als präferierte Wohn- und Lebensregion der privaten Zukunftsplanung. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse der Studienreihe „Fachkraft 2020“. Allein 2015 dürfte die Nettozuwanderung des Landes unter Hochschulabsolventen bei 20 Prozent gelegen haben.
12 der 16 deutschen Bundesländer müssen sich laut Studie „Fachkraft 2020“ in den kommenden Jahren auf eine zum Teil ausgeprägte Nettoabwanderung von Hochschulabsolventen einstellen. Anders die Situation in Baden-Württemberg, denn das Land zählt neben den gerade bei jungen Menschen sehr beliebten Stadtstaaten Hamburg und Berlin sowie dem benachbarten Bayern zu den wenigen Profiteuren der post-graduellen „Richtungsentscheidungen“ frisch gebackener Absolventen.
Konkret besagen die aktuellen Ergebnisse der Studie für Baden-Württemberg, dass der Nettozuzug junger Akademikerinnen und Akademiker alleine 2015 bei 20 Prozent gelegen haben dürfte. Heißt im statistischen Klartext: Zusätzlich zu 100 in Baden-Württemberg ausgebildeten Studierenden kommen nochmals 20 aus anderen Regionen Deutschlands hinzu – ein satter Gewinn also. Damit verstetigt sich für das Land ein positiver Trend, der im Rahmen der Studienreihe „Fachkraft 2020“ bereits für die Jahre 2014 und 2013 festgestellt werden konnte (s. Tabelle unten).
Die Erhebungen zur Studienreihe „Fachkraft 2020“ werden seit September 2012 in Kooperation zwischen Studitemps und dem Department of Labour Economics der Maastricht University durchgeführt. Im Durchschnitt nehmen an den Befragungen 25.000 Studierende teil.
Wanderungsgewinne und -verluste der Bundesländer (per Saldo) am Übergang von Hochschule zu Beruf – Ergebnisdarstellung 2013 bis 2015
Baden-Württemberg attraktiv für MINT-Absolventen
Noch ausgeprägter als jenes zuvor beschriebene Plus von 20 Prozent dürfte die Zuwanderung nach Baden-Württemberg im MINT-Bereich ausfallen. Per Saldo resultierte aus der aktuellen Analyse zur Studienreihe „Fachkraft 2020“ für 2015 ein Plus von 24 Prozent in diesem, wirtschaftlich hoch bedeutsamen Fächerbereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik/Ingenieurwissenschaften). Damit ist Baden-Württemberg in der isolierten Betrachtung dieser akademischen Zielgruppe das zweitbeliebteste Flächenland Deutschlands – nach Bayern (+44). Den insgesamt und mit Abstand höchsten Zuwachs verzeichnete auch im MINT-Bereich der Stadtstaat Hamburg (+151 %). Hingegen deutet sich für 11 Bundesländer eine mitunter drastische Nettoabwanderung an. Zuvorderst zu nennen sind die Schlusslichter Sachsen-Anhalt (-72 %) und Brandenburg, wo sich als Wanderungsbilanz unter MINT-Absolventen ein Minus von 60 Prozent festhalten lässt.
Bei weiblichen Absolventen weniger beliebt als bei männlichen
Interessanterweise ist das akademische Migrationsbild Baden-Württembergs von erheblicher geschlechtlicher Heterogenität geprägt. Das heißt: Während das männliche Interesse an einem beruflichen Einstieg im Südwesten Deutschlands mit einer Netto-Wanderungsbilanz von 31 Prozent deutlich überdurchschnittlich ist, fällt die Attraktivität Baden-Württembergs auf weiblicher Seite erheblich verhaltener aus (13 %). Eine größere Disparität konnte den vorliegenden Daten zufolge für 2015 lediglich in Bayern festgestellt werden, wo 36 Prozent männlichen (Netto-)Zuwanderern 12 Prozent weibliche gegenüberstehen. Im Vergleich dazu fallen die geschlechtlichen Wanderungstendenzen vieler anderer Bundesländer deutlich ausgeglichener aus. Zu nennen sind beispielsweise Rheinland-Pfalz, Thüringen und Berlin. Das nachfolgende Diagramm verdeutlicht den Sachverhalt.
Fazit von Studitemps: Die ausgeprägte Attraktivität Baden-Württembergs als berufliches Zielland vieler Hochschulabsolventen kommt im Grunde nicht überraschend. Eben so wenig der damit verbundene Wanderungsgewinn von (netto) 20 Prozent in den Jahren 2014 und 2015. Darauf lässt sich wirtschaftlich aufbauen. Damit lässt sich – kurzum – personell planen.
Dennoch sind neben den bayerischen Unternehmen auch Arbeitgeber in Baden-Württemberg dazu aufgerufen, mehr und mehr auch weibliche Jobinteressen zu bedienen. Hier müssen beide südlichen Flächenländer Deutschlands deutlich zulegen. Andernfalls droht mit Blick auf den Zuzug junger Absolventen gerade im Süden ein empfindliches geschlechtliches Ungleichgewicht.
Probleme freilich, die man andernorts in Deutschland gerne hätte. Denn wie eingangs gesagt: 12 der 16 Bundesländer haben am Übergang von Hochschule zu Beruf mit teils herben Nettowanderungs-Verlusten zu kämpfen. Hiervon ist Baden-Württemberg ausdrücklich nicht betroffen!
Doch was das Wirtschaftsministerium freut, muss nicht auch fürs Familienministerium gut sein. So zeichnet sich für Bayern ein deutliches geschlechtliches Ungleichgewicht ab. Denn der Zuzug ist klar männlich dominiert – im Verhältnis 3:1. Ein Hauptgrund hierfür ist eben jener MINT-Bereich, der stark männlich geprägt ist. Naheliegende Konsequenz: Der politische Kampf um die Frauenquote erhält in Bayern zwangsläufig (auch) eine statistische Note.