Mit knapp 5 Millionen Beschäftigten stellen Groß- und Einzelhandel in Deutschland einen echten Jobmotor dar. Gemessen daran fällt das studentische Interesse an einer beruflichen Karriere in der Branche eher mager aus – keine 3 Prozent der rund 20.000 Teilnehmer der jüngsten Erhebung zur Studienreihe „Fachkraft 2020“ planen hier den Einstieg. Warum das? Und vor allem: Zeichnet sich für die Branche ein Engpass in der Nachwuchsgewinnung ab?
Dass ein Beschäftigungsriese wie die Handelsbranche in der beruflichen Attraktivität künftiger Hochschulabsolventen keine Hauptrolle spielt, lässt zwangsläufig aufhorchen. In einem aktuellen Ranking der Studienreihe „Fachkraft 2020“ belegt das Metier den 17. Platz unter insgesamt 24 analysierten Wirtschaftsfeldern. Konkretes berufliches Interesse an Groß- und Einzelhandel bekundeten lediglich 2,8 Prozent der Befragten – weit abgeschlagen hinter den Spitzenreitern Medien/Verlagswesen (17,1 %) und Automobilindustrie (11,9 %).
Die Ursachen? Der Blick in die Detailanalyse offenbart mit Nachdruck, warum die Handelsbranche bei Hochschulabsolventen aktuell keinen guten Stand zu haben scheint. Bei Schlüsselkriterien wie „Sorge vor Arbeitslosigkeit“ und „erwartete Jobzufriedenheit“ schneidet sie schlecht ab. Und auch in der Frage nach dem Einstiegsgehalt schwächelt das Image. Die Befragungen zur Studienreihe „Fachkraft 2020“ werden seit September 2012 in wissenschaftlicher Kooperation zwischen Studitemps und dem Department of Labour Economics der Maastricht University durchgeführt. Die vorliegenden Ergebnisse wurden im März 2015 erhoben.
Die Top-5-Arbeitgeber der Handelsbranche: Kleidung schlägt Möbel
Im Groß- und Einzelhandel vermag keines der Top-5-Unternehmen, mehr als 10 Prozent der Branchen-Interessenten zu überzeugen. Rang 1 geht mit 8,5 Prozent an das Traditionshaus Peek & Cloppenburg (Bekleidung), gefolgt von Zara mit 7,9 Prozent (ebenfalls Bekleidung). Drittes Bekleidungslabel innerhalb der Top-5 ist H&M auf Rang 4. Daneben finden sich mit IKEA (3. Platz) und DM (5. Platz) Anbieter für Möbel und Drogerie-Artikel. Für letztgenanntes Unternehmen interessieren sich 6,6 Prozent der Befragten, die es beruflich in den Groß- und Einzelhandel zieht. Indes haben Aldi und Rewe den Sprung in die Top-5 knapp verpasst.
Beliebteste Arbeitgeber in Groß- und Einzelhandel
Branchenvergleich: Studenten erwarten im Handel geringe berufliche Zufriedenheit
Da Studenten zugleich Kunden und Einkäufer sind, ist alltäglicher Bezug zur Handelsbranche selbstredend gegeben. Die Frage wäre nun, ob sich die Ansammlung (mitunter stressiger) Kaufeindrücke indirekt auf das berufliche Image des Groß- und Einzelhandels auswirkt. Im Ergebnis der vorliegenden Befragung ist es jedenfalls so, dass Studenten in einer potenziellen beruflichen Verbindung zum Handel keinen Quell der Freude erkennen. 6,75 von maximal 10 Punkten für die Kategorie „erwartete Jobzufriedenheit“ bedeuten konkret Platz 22 im Ranking. Lediglich E-Commerce (6,67) und Messewesen (6,63) schneiden in der Einschätzung schlechter ab.
Hinzu kommt die ausgeprägte studentische Sorge vor post-gradueller Arbeitslosigkeit. 32 Prozent derjenigen Befragten, die es beruflich in den Handel zieht, sehen hier ein potenzielles Problem – womit sich die Branche auch hier im unteren Drittel des Rankings befindet. Und zwar deutlich vom Spitzenreiter Maschinen- und Anlagenbau entfernt, wo sich lediglich 21 Prozent der betreffenden Studenten ernsthafte Sorgen über anfängliche Arbeitslosigkeit machen. Dagegen befindet sich der studentische Gehaltsanspruch an Groß- und Einzelhandel mit durchschnittlich 40.500 Euro pro Jahr (brutto) im Mittelfeld des Branchenrankings.
Detailanalyse der beliebtesten Arbeitgeber in der Groß- und Einzelhandelsbranche
Die Top-5 in der Detailanalyse: Satter Gehaltswunsch bei Peek & Cloppenburg
Augenzwinkernd könnte man behaupten, dass Peek & Cloppenburg Platz 1 im Top-5-Ranking der beliebtesten Arbeitgeber teuer zu stehen kommt. Denn: Mit einem Gehaltsanspruch von 46.800 Euro pro Jahr (brutto) liegt das Unternehmen laut Datenlage erheblich über jenen Einkommenswünschen, auf die man sich am anderen Ende der Top-5 bei der Drogeriekette DM einzustellen hat (33.300 €). Dies entspricht einer satten Abweichung von rund 40 Prozent.
Auch in den anderen Kategorien (s. Tabelle) liegt für die Top-5-Arbeitgeber ein vergleichsweise heterogenes Bild vor. So reichen die durch Jobs im Studium erworbenen Branchenerfahrungen bei potenziellen Bewerbern von lediglich 8 Prozent bei Zara bis hin zu erfreulichen 24 Prozent bei H&M. Ähnlich die Analyse bei denjenigen Studenten, die direkt nach dem Bachelor in die Handelsbranche einsteigen wollen: Während dies bei Zara lediglich auf 4 Prozent der Interessenten zutrifft, kann DM bei zukünftigen Bewerbungen auf einen Bachelor-Anteil von rund 28 Prozent bauen.
Dem gegenüber haben Studenten gerade dann wenig Angst vor anfänglicher Arbeitslosigkeit, wenn sie bei Zara einsteigen wollen (25 %). Alle übrigen Top-5-Vertreter liegen in dieser Frage deutlich über 30 Prozent, was hinsichtlich zukünftiger Branchenbewerber mit akademischen Wurzeln nicht eben als Image-Vorteil anzusehen ist.
Die Frage nach den Persönlichkeitsausprägungen von Studenten ist ein weiteres Kriterium der Analyse. Hier zeigt sich mit Blick auf den Groß- und Einzelhandel, dass es vor allem solche Studenten beruflich in die Branche zieht, deren „Verträglichkeit“ (Teamplayer) und „Extraversion“ (Kontaktfreude) deutlich über dem Durchschnitt liegt. Für „Gewissenhaftigkeit“ und „Emotionale Stabilität“ konnten bei den befragten Branchen-Interessenten hingegen relativ durchschnittliche Ausprägungen festgestellt werden. Lediglich im Bereich „Offenheit“ liegt eine vergleichsweise geringe Ausprägung vor (s. Darstellung).
Fazit von Studitemps: Vielleicht liegt hier eine Lösung für die zuvor geschilderte Problematik der Handelsbranche: Lediglich 18 Prozent der Studenten, die es nach dem Abschluss in die Branche zieht, können ihre Entscheidung mit konkreten (bisherigen) Joberfahrungen untermauern. Heißt: Es könnte am fehlenden vorberuflichen Einblick in die Branche liegen, dass der Handel gerade bei Image-behafteten Aspekten wie „erwartete berufliche Zufriedenheit“ und „Sorge vor Joblosigkeit“ schlecht abschneidet.
Andererseits interessieren sich gerade junge Absolventen für einen Einstieg in die Branche. So ist davon auszugehen, dass rund 15 Prozent der zukünftigen Bewerberinnen und Bewerber den beruflichen Einstieg in den Handel direkt nach dem Bachelor anstreben werden – so jedenfalls die anhand der Befragung erfasste Zielsetzung. Höheren Zuspruch bei den jüngsten Absolventen in Deutschland erhalten lediglich Tourismus und Messewesen.
Kurzum: Gerade hier, in dieser Zielgruppe der im Durchschnitt etwa 23-jährigen Absolventinnen und Absolventen, scheint die Handelsbranche hohes Potenzial zu haben, um die Fach- und Führungskräfte der nächsten Generation frühzeitig zu binden. Also, Branche: Zugreifen!