Zugegeben: Verglichen mit anderen Branchen spielt der Tourismus in den beruflichen Planungen zukünftiger Hochschulabsolventen eher eine untergeordnete Rolle. Ganz oben in der studentischen Beliebtheit thronen Medien und Automobilbau – Platz 13 im Gesamtranking der Studie „Fachkraft 2020“ geht an den Tourismusbereich. Anders dagegen das Bild bei besonders jungen Absolventen, wo die Branche ihre Anziehungskraft wie keine zweite entfaltet. Wie das?
Die Tourismusbranche schafft es im Ranking der beliebtesten beruflichen Zielbranchen von Hochschülerinnen und Hochschülern in Deutschland auf Platz 13 – favorisiert von 3,2 Prozent der rund 20.000 Absolventen in spe, die im Rahmen der jüngsten Erhebung zur Studienreihe „Fachkraft 2020“ befragt wurden. Beispielsweise zu Aspekten wie Karriereplanung oder Gehaltsanspruch.
Letztgenannter Punkt, das Einkommen zum Berufseinstieg, scheint dabei kein Hauptargument für das studentische Interesse an der Tourismusbranche zu sein. Erstmal ankommen im Beruf, scheint vielmehr die Devise. Denn schließlich kann keine andere der 24 untersuchten Branchen auf einen höheren Anteil an Interessenten verweisen, die direkt nach dem Bachelor einsteigen wollen.
Die Befragungen zur Studienreihe „Fachkraft 2020“ werden seit September 2012 zweimal pro Jahr in wissenschaftlicher Kooperation zwischen Studitemps und dem Department of Labour Economics der Maastricht University durchgeführt. Nächste Erhebung: September 2015.
Die Top-5-Arbeitgeber in der Tourismusbranche
In der Tourismusbranche führt der in Hannover ansässige Reiseanbieter TUI die Liste der Top-5-Arbeitgeber an. Fast 19 Prozent der Studenten, die es nach dem Studium beruflich in die Branche zieht, gaben an, bei dem Unternehmen einsteigen zu wollen. Mit Hilton Hotels (10,1 %) und Thomas Cook (10,0 %) folgen nahezu gleichauf zwei ausländische Anbieter (USA bzw. Großbritannien). Mit einem Wert von 7,0 Prozent schafft es DER Touristik aus Frankfurt am Main als letztes Unternehmen in die Liste der Top-5. Die Stimmenanteile weiterer Unternehmen aus der Branche können Sie der nachfolgenden Tabelle entnehmen.
Beliebteste Arbeitgeber im Tourismusbereich
Branchenvergleich: Hohe Beliebtheit bei jungen Absolventen
Rund 18 Prozent aller Studenten, die es beruflich in die Tourismusbranche zieht, wollen direkt nach dem Bachelor einsteigen. Damit ist die Branche bei dieser jüngsten aller Absolventengruppen in Deutschland so beliebt wie keine andere. Zum Vergleich: Branchen wie die Unternehmensberatung oder das Bankwesen schneiden hier mit einem Anteil von etwa 6 Prozent deutlich schlechter ab.
Sicherlich ist die hohe Beliebtheit des Tourismus-Bereichs bei besonders jungen Absolventen auch als ein Grund für den vergleichsweise niedrigen Gehaltsanspruch anzusehen. Denn während angehende Bewerber hier mit durchschnittlich 35.100 Euro brutto pro Jahr Vorlieb nehmen würden, haben sich Branchen wie das Bankwesen oder die Steuer- und Wirtschaftsprüfung auf ganz andere Gehaltsforderungen einzustellen. Letztgenannte liegt in dieser Hinsicht mit einem Einstiegsgehalt von fast 47.000 Euro an der Spitze des Rankings – gut ein Drittel über der Tourismusbranche.
Detailanalyse der beliebtesten Arbeitgeber im Tourismusbereich
Innerhalb der Top-5-Arbeitgeber der Branche konnten erheblich abweichende Lohnvorstellungen festgestellt werden. So liegt zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wunschgehalt – vorliegend für die beiden ausländischen Unternehmen Hilton Hotels und Thomas Cook – eine Differenz von fast 11.000 Euro brutto pro Jahr vor. Dies entspricht einer Abweichung von über 26 Prozent.
Und auch mit Blick auf den Bacheloranteil potenzieller Bewerber liegt innerhalb der Top-5 kein homogenes Gesamtbild vor. Den mit Abstand höchsten Anteil an Interessenten ohne einen höheren Abschluss wie beispielsweise Master oder Promotion erwartet das Unternehmen Aida Cruises (27 %). Deutlich unterboten wird dieser Wert bei Hilton Hotels, wo lediglich 9 Prozent der potenziellen Bewerber ohne einen höheren als den Bachelorabschluss einzusteigen gedenken. Dagegen ist die Sorge vor post-gradueller Joblosigkeit in allen Top-5-Unternehmen annähernd identisch.
Zur Persönlichkeit: Hohe Verträglichkeit trifft geringes Maß an Offenheit
Schaut man auf die Persönlichkeit angehender Bewerberinnen und Bewerber der Tourismusbranche (siehe Diagramm), fallen vor allem zwei Aspekte ins Auge – eine ausgeprägte Verträglichkeit (z. B. Teamgedanke) und ein deutlich unterdurchschnittliches Maß an Offenheit (z.B. für Neues). Teils deutlich geringfügigere Abweichungen vom Durchschnitt aller befragten Studenten konnten dagegen in den Bereichen Gewissenhaftigkeit, Extraversion und Emotionale Stabilität festgestellt werden.
Fazit von Studitemps: Bezogen auf die Zielgruppe der Bachelorabsolventen ist es mit der Tourismusbranche ein wenig wie mit dem Medienbereich: viele zieht es dorthin, obwohl die Befragten (formal) nicht mit den besten Bedingungen rechnen. So schneidet die Tourismusbranche im Gesamtranking aller 24 untersuchten Wirtschaftsfelder nicht nur in der Kategorie „Gehaltswunsch“, sondern auch bei „Sorge vor Joblosigkeit“ und „Erwartete Jobzufriedenheit“ mäßig bis schlecht ab.
Laut Datenlage täte die Branche damit gut daran, solche und andere Zweifel von potenziellen Bewerbern aus den nächsten Absolventen-Jahrgängen mit Macht zu zerstreuen. Was böte sich an? Die vorliegenden Befragungsergebnisse zeigen, dass nur wenige Branchen-Interessenten bereits im Studium mit Fachbezug zum Tourismus gearbeitet haben (lediglich 21 Prozent). Kurzum: Gut möglich, dass sich die analysierten Vorbehalte durch einen systematischen Ausbau beruflicher „Schnupperangebote“ für Studenten deutlich minimieren ließen. Es wäre dieser spannenden Branche sicherlich zu wünschen.