Den gewünschten Abschluss in der Tasche? Vor der Pandemie plante ein Großteil der Absolventen dann den baldigen Berufseinstieg. Nun hat Corona die Arbeitswelt in vielen Bereichen verändert. Bewirkt dies auch ein Umdenken bei den Studierenden? Antworten gibt die aktuelle Erhebung der Fachkraft 2030.
Köln, 17. November 2020. Wie schauen angehende Absolventen in die Zukunft, was ist ihnen auf dem Weg in den Job wichtig? Aktuell ist neben den klassischen Faktoren wie Gehalt und Entwicklungschancen beim Berufseinstieg ebenfalls die Corona-Krise zu berücksichtigen. Auch wenn der angekündigte Impfstoff eine Rückkehr zum normalen Leben in erwartbare Nähe rückt, schlagen sich die Effekte der Pandemie doch bereits nieder. In der 17. bundesweiten Erhebung zur Fachkraft 2030 haben wir die Auswirkungen auf angestrebte Abschlüsse, Zielbranchen und weitere Bereiche untersucht. In Zusammenarbeit mit der Maastricht University wurden 13.000 Studierende aus sämtlichen Alters- und Fachbereichen befragt.
Berufseinstieg: Hat Corona Einfluss auf die Wahl des Studienabschlusses?
Der Bachelor ist begehrt und reicht immer mehr Studierenden aus, auch wenn Masterabschluss und Promotion höheres Gehalt und bessere Karrierechanchen versprechen. So wollen mittlerweile etwas über 30 Prozent der Studierenden die Uni mit dem niedrigsten berufsqualifizierenden Abschluss verlassen. Einen Masterstudiengang anhängen möchten weniger als 60 Prozent, promovieren lediglich 6,5 Prozent. An dieser Stelle unterstreicht die aktuelle Umfrage den Trend der vergangenen Jahre. 2013 hatten noch 71,2 Prozent den Master sowie 12,7 Prozent die Promotion als Ziel. Die Vermutung, dass die Corona-Pandemie tendenziell zu einem Weiter- bzw. „Höher”-Studieren führen könnte, bestätigt sich also nicht.
Grundsatzfrage: Ist der (direkte) Start in den Job überhaupt noch das Ziel?
Im Jahr 2020 sind Auslandsaufenthalte und Reisen kaum durchführbar. Somit ist es nicht verwunderlich, dass 76,3 Prozent der im September Befragten nach dem Abschluss „so schnell wie möglich“ in den Job möchten. Im März lag dieser Wert noch 3 Prozentpunkte niedriger. Diejenigen 8 Prozent der Gesamtstichprobe, welche nicht direkt in Lohn und Brot stehen wollen, präsentieren sich hingegen stoisch. Über drei Viertel (76,7 %) sehen keinen „wesentlichen“ Zusammenhang zwischen ihrer Planung und Corona. Annähernd die Hälfte (46,1 %) möchte 6 bis 12 Monate pausieren, knapp ein Viertel (24,1 %) höchstens 24 Wochen. Immerhin 15,6 Prozent wollen sich ein Jahr oder länger Zeit lassen. Die restlichen 14 Prozent sind unentschlossen. Der Wunsch nach einem zeitnahen Berufseinstieg ist also auch hier generell gegeben und prozentual leicht angestiegen. Ein Run hat jedoch nicht eingesetzt. Wer später starten möchte, lässt sich von Corona nur in geringem Maße beeinflussen.
Welche Branchen sind für den Berufseinstieg (in Zeiten von Corona) attraktiv?
Starke Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Wahrnehmung der Gesundheits- und Lehrberufe: Im Schlaglicht medialer Präsenz werden Missstände in Pflege und Schulwesen offenbar. Vor dem Hintergrund von Systemrelevanz und alternder Gesellschaft bedenklich: Im Vergleich zu anderen Bereichen sind höhere Verluste zu verzeichnen. In Relation zur März-Befragung fällt der Wert von 11,2 auf 9,1 Prozent („Gesundheits-, Pflege- & Sozialwesen“) bzw. von 14,1 auf 12,5 Prozent („Bildung, Erziehung & Forschung“). Hier steht zu vermuten, dass Corona durchschlägt und ohnehin mit Stress und hoher Kontaktzahl assoziierte Berufsfelder an Attraktivität einbüßen. Dennoch sind die absoluten Anteile noch vergleichsweise hoch.
Verstärkter Effekt bei Studienanfängern
Schlicht Anlass zur Sorge gibt die Verstärkung dieses Effekts bei den Anfängern, also Studierenden bis zum zweiten Semester, die leichter umplanen und problemloser den Studiengang wechseln könnten. Diese Teilnehmer haben einen signifikanten Teil oder das komplette bisherige Studium unter Corona-Bedingungen absolviert. Im Vergleich zu September 2019 möchten sie in deutlich geringerer Zahl im „Gesundheits-, Pflege- & Sozialwesen“ – minus 28 Prozent; Gesamtstichprobe 19 Prozent – sowie in der „Bildung, Erziehung & Forschung“ tätig sein. Bei Letzteren sind es sogar 31 Prozent (Gesamtstichprobe: nur 11 Prozent). Ein erster Hinweis darauf, dass viele angehende Absolventen die Pandemie als eine kurzfristige Einschränkung betrachten, ist dagegen der prozentual unveränderte Wunsch nach einer Arbeit in Kultur, Musik und Kulturwirtschaft. Mithin eine der am stärksten gebeutelten Branchen, in welcher bereits seit März Staatshilfen gezahlt werden.
Mehr als „nur” Gehalt und Aufstiegschancen: Was ist Studierenden wichtig?
Vielen Beschäftigten sind flexible Arbeitszeiten wichtig, nicht zuletzt, um Beruf, Freizeit und Familie vereinbaren zu können. Dieses Themenfeld wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) schon 2013 in einer Veröffentlichung detailliert betrachtet. Für Studierende besitzt es gleichermaßen ausgeprägte Relevanz. Der größte Teil, 21,7 Prozent der Befragten, befand diesen Aspekt für „am wichtigsten“ und wählte ihn auf die Spitzenposition. Das Arbeitsklima folgt auf Platz 2 (17,8 %), dann das Gehalt (16,3%) sowie die Arbeitsplatzsicherheit (15,1%), noch vor den Aufstiegschancen. Seit März 2020 hat sich demnach nicht viel verändert. Es stellt sich die Frage, ob sich die Werte in Zukunft weiter konstant präsentieren oder eine Verschiebung einsetzt.
Online oder Präsenz – Wie stellen sich angehende Absolventen Arbeit vor?
Flexibilität wird Studierenden derzeit auch gewährt oder, je nach Betrachtungsweise, abverlangt. Erwächst hieraus der Wunsch nach Homeoffice, wie es aktuell gang und gäbe ist? Die Resultate sind erstaunlich: Circa 75 Prozent möchten vorzugsweise ins Büro, nur etwa 13 Prozent ins Homeoffice. Ortsungebundenes Arbeiten favorisieren knapp 12 Prozent. Während viele Experten davon ausgehen, dass einiges vom Homeoffice bleiben wird, ist Präsenz bei zukünftigen Akademikern en vogue. Wenn es um feste oder flexible Arbeitsorte innerhalb des Büros geht, steht die Verteilung annähernd pari (38,2 % zu 36,9 %). Hier hat Corona bei den Studierenden also nicht für ein Umdenken gesorgt. Lediglich der Wunsch nach bürointernen flexiblen Arbeitsorten ist seit 2018 um knapp 10 Prozentpunkte gestiegen. Es bleibt abzuwarten, ob dies den Wunsch nach kooperativen Arbeitsmodellen reflektiert oder doch ein Spiegelbild der Sehnsucht nach einer Rückkehr zur Normalität ist.
Mathematiker im Homeoffice, Sportwissenschaftler vor Ort
Heruntergebrochen auf einzelne Fachbereiche ist der ortsungebundene Arbeitsplatz im Bereich „Kunst / Musik“ mit 19,5 Prozent sehr begehrt. Studierenden der Mathematik und Informatik möchten ihre Tätigkeit besonders gern im Homeoffice ausüben (20,8%). Ein flexibler Arbeitsplatz ist speziell bei Studierenden der Rechtswissenschaften (44,0 %) gewünscht, während Sportwissenschaftler zu 52,7 Prozent den festen Arbeitsplatz (sprich: die Tätigkeit vor Ort) bevorzugen. Klar: In großen Teilen wird dies den jeweiligen Jobprofilen sowie der Praktikabilität geschuldet sein. Angehende Absolventen haben eine deutliche Vorstellung von ihrer gewünschten zukünftigen Tätigkeit und möchten entsprechend agieren.
Stimmungsbarometer Berufseinstieg: Hat Corona den Optimismus verhagelt?
Die Corona-Krise hat auch abseits der oben genannten Branchen wie Gesundheit, Bildung und Kultur zu Verwerfungen geführt. Die Anzahl der in Kurzarbeit Beschäftigten ist im Jahresverlauf stark gestiegen. Dennoch erwartet die Mehrheit aller Befragten einen ungefährdeten Berufseinstieg. Sie schätzt die Wahrscheinlichkeit eines reibungslosen Übergangs „direkt nach dem Studium“ auf ca. 65,5 Prozent. Im allgemeinen Geschlechtervergleich sind Männer mit 67,3 Prozent etwas zuversichtlicher, was den wunschgemäßen direkten Jobeinstieg betrifft. Frauen erwarten dies lediglich zu 64,4 Prozent.
Angehende Absolventinnen pessimistischer
Bei den Studierenden, die direkt vor dem höchsten angestrebten Abschluss stehen, ergibt sich geschlechterspezifisch jedoch ein anderes Bild. Die Männer halten einen erfolgreichen direkten Jobeinstieg auch hier zu 67,0 Prozent für wahrscheinlich, Frauen nur zu 57,3 Prozent. Ob dieser Pessimismus ein zeitweiliger Ausreißer ist oder Bestand hat, werden Folgeuntersuchungen klären müssen. Gleiches gilt für den Blick auf die generelle berufliche Zukunft.
Langfristige Aussichten für gut befunden
Eine gute Nachricht: Zurzeit sind die Studierenden von großem Optimismus geprägt. Etwa 64 Prozent befinden ihre Jobchancen nach dem Studium für „gut” und äußern sich entsprechend; über die Hälfte der Befragten sogar uneingeschränkt. Auf der Gegenseite sind nur 11 Prozent der Teilnehmenden skeptisch, was die eigenen Jobaussichten anbetrifft. Etwa 25 Prozent der Studierenden betrachten die Angelegenheit neutral. Im Vergleich zur Fachkraft-Erhebung im September 2013 entpuppt sich das Stimmungsbild als stabil und bezogen auf die langfristige Perspektive sogar verbessert. Ein Ergebnis, welches im Krisenjahr 2020 nicht zwangsläufig zu erwarten war, jedoch optimistisch stimmt.
Studitemps Fazit
Zuversicht ist in herausfordernden Zeiten essenziell, nicht zuletzt im beruflichen Bereich. Schon früh wurde auf die Gefahr psychischer Belastungen hingewiesen. Gut zu wissen, dass angehende Absolventen zum großen Teil positiv in die Zukunft schauen. Die Wirtschaft kann darauf bauen, dass in Zeiten des Aufschwungs gut ausgebildete und motivierte Absolventen zur Verfügung stehen. Dass es es sich hierbei verstärkt um Bachelors (m/w/d) handelt, sollte dem keinen Abbruch tun, schließlich wird der Abschluss von Unternehmen mehr und mehr anerkannt.
Vielmehr gilt es, den Attraktivitätsverlust im Gesundheits-, Pflege- und Sozialwesen sowie Bildungssektor, den auch das aktuelle Studitemps Whitepaper abbildet, im Auge zu behalten und gegenzusteuern. Dies kann durch Praxiseinblicke geschehen, sobald dies wieder möglich ist. Es bedarf jedoch in erster Linie Anstrengungen des Staates zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die nächste Fachkraft-Erhebung wird diese Entwicklungen weiter verfolgen.